Foto: Spyros Rennt

„Mit meiner Arbeit treibe ich die queere Agenda voran“

Christopher Ferner

Spyros Rennt hält seit Jahren queeres Leben in Berlin und Athen auf seinen teils expliziten Fotos fest – auch für die Artikel unseres Magazins. Wir haben mit ihm über seine Arbeit gesprochen.

 

Interview: Christopher Ferner

Seit nun rund sieben Jahren hält der Fotograf Spyros Rennt das queere Leben in Berlin und Athen auf Fotos fest. Seine Bilder erzählen von Liebe, Lust und wilden Partynächten. Im Interview spricht der in Athen geborene Fotograf darüber, wie Berlin seine Arbeit beeinflusst, wie die dargestellte Intimität auf den Fotos zustande kommt und wie sein Leben aussehen wird, wenn die Party irgendwann vorbei ist.

 

Spyros, wie hast Du den Weg zur Fotografie gefunden?

Das Fotografieren war für mich eine Möglichkeit, um mich kreativ auszuleben. Ich habe mich schon immer zur Fotografie hingezogen gefühlt, habe immer viele Fotos geschossen. Als ich in meinem Leben an einem Punkt angekommen bin, an dem sich mein 9-to-5 Job wie eine Sackgasse angefühlt hat, habe ich angefangen, mehr Energie in die Fotografie zu stecken. Es gab allerdings keinen klaren Bruch, es war eher ein fließender Übergang.

 

Wann hast du gemerkt, dass du dein Hobby zum Beruf machen kannst?

Als ich mein erstes Buch „Another Excess” herausgebracht habe, das 2018 erschien – das war für mich ein Wendepunkt. Von diesem Zeitpunkt an haben sich immer mehr Menschen für meine Arbeit interessiert, das Buch hat sich ganz gut verkauft und meine Arbeit bekannter gemacht.

 

Wie wurden Liebe, Queeerness, Sex und Hedonismus zu den Hauptmotiven deiner Fotografie?

Als ich anfing zu fotografieren, war das alles einfach mein Leben. Damals war Queerness noch keine Marke, wie das heute der Fall ist. Ich habe mir nie aktiv vorgenommen, queeres Leben einzufangen – es ist organisch passiert. Es ist viel Liebe auf meinen Fotos zu sehen, aber auch viel Lust. Ich gehe immer noch gerne feiern, habe gerne Spaß – und fotografiere das Ganze dann einfach. Manchmal sind die Dinge, die ich fotografiere, ziemlich krass und manchmal völlig banal. Diese Gegenüberstellung reizt mich besonders.

 

Hast du ein Beispiel für banale Fotos?

In meinem Buch “Lust Surrender” habe ich Fotos von meinen Freunden gemacht, die Pizzen essen. Das Foto ist banal, aber hat auch etwas Gemeinschaftliches an sich und ist, wie ich finde, auch irgendwie sexy.

 

Also sind diese Fotos wie ein Fenster in dein Leben?

Definitiv. Aber natürlich nur ein Fenster zu einem kuratierten Leben. Wenn man meine Fotos sieht, könnte man denken, dass ich nur auf Sexpartys rumhänge. Und natürlich gehe ich auch gerne mal zu einer Sexparty. Aber ich habe auch Phasen, in denen mein Leben langweilig ist und ich viel Zeit alleine verbringe. Mein Leben ist facettenreicher, als es meine Fotos glauben lassen.

 

Wie hat Berlin deine Arbeit beeinflusst?

Berlin hat mir klar gemacht, dass ich keine Lust habe, mein Leben lang in einem Angestelltenverhältnis festzustecken. Es gibt keinen anderen Ort, an dem das Ausgehen am Sonntag so zelebriert wird, wie hier. Das wollte ich auch tun können – nicht an Montag denken müssen und mein eigener Chef sein. Und seit mittlerweile rund sieben Jahren bin ich genau das. Ich führe zwar kein luxuriöses Leben im klassischen Sinne. Aber dass ich diese Freiheiten habe, ist für mich Luxus.

 

Wie findest du die Menschen, von denen du Fotos machst?

Oft fotografiere ich einfach meine Freunde. Von denen kann ich dann auch Sachen verlangen, die ich von Fremden nicht verlangen könnte – sie lieben mich und wollen mich natürlich auch unterstützen. Wenn ich unterwegs bin, auf einer Party zum Beispiel, dann spreche ich die Leute einfach an und frage, ob es ok ist, ein Foto von ihnen zu machen.

 

Wie spontan sind deine Fotos?

Ich habe in Berlin ein Studio, in dem ich Fotos mache. Aber bekannt bin ich eher für die Fotos, die ich spontan schieße. Ich bin gut darin, besondere Momente zu erkennen und festzuhalten.

 

Hast du also immer eine Kamera bei dir? Jetzt gerade zum Beispiel?

Früher habe ich meine Kamera überall mit hingenommen – damals hätte ich auch jetzt eine dabei gehabt. Doch das hat sich mittlerweile geändert. Doch oft sehe ich Sachen, die ich gerne fotografieren würde, und ärgere mich dann, dass ich meine Kamera nicht dabei habe.

 

Auf deinen Fotos sind oft sehr intime Momente zu sehen. Wie kreiert du diese Intimität?

Ich erschaffe diese intimen Räume oft gar nicht – sie sind meistens schon da. Ich dokumentiere sie lediglich.

 

Du bist dein eigener Chef, du kannst deine Arbeit in dein Leben integrieren, du triffst ständig neue Leute – scheint ein Traumjob zu sein.

Meine Arbeit kann aber natürlich auch sehr anstrengend sein. Man ist immer abhängig von anderen Menschen. Ich kann nicht mal eben schnell ein Stillleben selbst aufbauen. Ich muss immer ein Lächeln aufsetzen, immer freundlich bleiben – auch in Situationen, in denen mir nicht zum Lachen zumute ist. Ich hätte mir viel Stress ersparen können, wenn ich einfach Modefotograf geworden wäre.

 

Was ist der schönste Teil deiner Arbeit?

Natürlich ist es schön, seine Fotos in einem Buch oder einem Magazin zu sehen. Bezahlt zu werden ist auch nicht schlecht. Aber ich versuche bei meiner Arbeit das große Ganze zu sehen. Ich habe das Gefühl, dass ich mit meiner Arbeit eine ganz bestimmte Ära und einen Lifestyle dokumentiere

 

Ist deine Arbeit also politisch?

Sicherlich! Wir leben in einer Zeit, in der Homo- und Transfeindlichkeit wieder zunehmen.

Natürlich ist queeres Leben in Berlin normalisierter als in anderen Städten. Dennoch leben wir ein Leben am Rand der Gesellschaft. Mit meiner Arbeit treibe ich die queere Agenda voran (lacht).

 

Denkst du je darüber nach, was du fotografieren wirst, wenn die Party vorbei ist?

Ich weiß nicht, was ich in Zukunft machen werde. Aber ich habe es geschafft, meine Karriere aus dem Nichts aufzubauen. Das stimmt mich optimistisch für alles, was noch kommen mag.

Foto: Spyros Rennt