Je ne parle pas français, aber bitte fick weiter
Marcel Dams
Da ist gelegentlich dieser wunderbare Moment, wenn Blicke sich treffen. Die Augen, in die man schaut, fangen an zu funkeln und strahlen. Das Gesicht des anderen wirkt harmonisch und hell. Im eigenen Mundwinkel und an den Augenfältchen beginnt es leicht zu zucken. Man sieht sich selbst nicht, aber es ist spürbar, dass man genau dasselbe Signal sendet. Es kommt zu einer Verbindung, die manchmal nur Bruchteile von Sekunden andauert, doch eine Tür für so viel mehr öffnet. Ohne etwas von der anderen Personen zu wissen, weder Vorlieben noch Tabus, weiß man, dass etwas miteinander laufen kann. Gerade die Tatsache, dass bisher fast alles im Dunklen liegt, macht es spannend. Es ist klar, dass man noch auf die Suche gehen und sich entdecken muss, aber auch, dass die Suche erfolgreich sein wird. Die Neugier aufeinander breitet sich leicht aus, wärmend und kribbelnd im ganzen Körper.
Eine solche Begegnung hatte ich in Südfrankreich. Genauer gesagt in einer Schwulensauna in Bordeaux. Ich befand mich auf dem Weg zu den Umkleiden, weil ich eigentlich gehen wollte. Er stand in der Dusche, ich sah ihn erst einmal nur von hinten. Das Wasser lief an seinem breiten, haarigen Rücken lang, hinunter zu einem schönen, prallen Arsch, wo es hängen blieb und letztlich zu Boden tropfte. Kurz bevor ich um die Ecke war, drehte er sich um und wir waren miteinander verbunden. Es schlug ein wie ein Blitz und war genauso schnell wieder weg. Ein paar Schritte weiter blieb ich stehen und brauchte einige Minuten, um runterzukommen. Wie nach einem heftigen Rausch fühlte ich mich ausgelaugt. Mir war nicht klar, was das war, aber ich wollte mehr von diesem Gefühl.
Natürlich ging ich zurück, ich hatte gar keine andere Wahl. Ich war mir sicher, dass er irgendwo auf mich wartete. Nicht weil ich mich besonders schön, sexy oder geil fand, das ist ja immer eine Frage des Geschmacks, sondern weil ich wusste, dass es ihm genau so ging wie mir. Es ging nicht darum, dass ich an sich begehrenswert bin und auch nicht, dass er es ist. Es ging darum, dass er auf mich und ich auf ihn traf. Diese Chemie wird nur durch eine passende Kombination ausgelöst.
Er lag in einer halb abgedunkelten Kabine, in leicht rötlichem Licht. Mit dem Rücken an die Wand gelegt, wirkten sein kräftiger Bauch und die massigen Schenkel noch attraktiver. Die Situation machte mich geil, weil ich auf genau diesen Typen stehe. Doch erst in dem Moment, in dem ich in sein Gesicht schaute, war das intensive Gefühl der Verbundenheit wieder da. Wegen seines Vollbartes konnte ich das Lächeln nicht über seinen Mund erkennen, aber die sich zusammenziehende Haut rund um seine Augen sprach für sich. Diese Einladung nahm ich an und schloss die Tür hinter mir ab.
Unsere Gesichter befanden sich jetzt voreinander, die Blicke gingen tiefe und er sagte ein paar Sätze auf Französisch. Ich verstand kein Wort und meine Sprachkenntnisse reichten nur, um mit einem stöhnenden „Ouiiiiii!“ zu antworten, bevor wir uns küssten. Einen damals angesagten Song hätte ich in „Je ne parle pas français, aber bitte fick weiter!“ umtexten können. Wir knutschten ziemlich lang und machten immer wieder Pausen, in denen wir uns anschauen konnten. Plötzlich drehte er mich um und als ob dieser bullige Daddy, unter dem ich nun lag, nicht schon Geschenk genug gewesen wäre, gab er mir eine sanfte, fast zärtlich gestrichene, Ohrfeige. Er fixierte mich mit seinem Blick und wartete solange, bis ich verstand: „Oh, Oui!“
Bisher hatte ich mich noch nie von einem Mann schlagen lassen. Er schlug mich mit der Zeit immer fester, packte härter zu, fickte heftiger rein und quälte mich auf angenehme, erregende Weise, indem er mit Geschwindigkeit, Stellungen und Stärke spielte und diese variierte. Es war meine erste SM-Erfahrung – und was für eine.
Ich setzte das „Oui!“ im Verlauf des Abends eher spielerisch ein, wir brauchten keine Worte, um miteinander zu kommunizieren. Die Blicke reichten und das, was in ihnen lag, gab mir das Gefühl geborgen zu sein und getragen zu werden. Ich vergaß alles um uns herum und war völlig fokussiert auf den Fluss, in dem wir uns befanden. Es gab keine Grenze, die er hätte überschreiten können, denn auf wundersame Art schien er zu wissen, wie weit er gehen und mich bringen konnte. Er erkannte, was ich brauchte und gab es mir. Er erkannte mich. Genauso war es umgekehrt. Selbstbestimmt zu entscheiden, dass mich Männer schlagen und dominieren dürfen, macht mich heiß. Bei gutem Sex fühle ich mich gesehen, angenommen und zugehörig. Sex ist für mich die eindrücklichste Möglichkeit, gezeigt zu bekommen, dass ich in Ordnung bin. Eindrücklich, weil es für manches keine Worte gibt oder braucht, aber durch den Einsatz unserer Körper trotzdem kommuniziert werden kann. Okay, weil ich mich mit meinem Innersten zeige, hingebe und anvertraue und das Gegenüber mich und meine Bedürfnisse anerkennt und sie sogar erfüllt. Es ist eine wechselseitige Erlaubnis dafür. In diesem wunderbaren Moment in Bordeaux haben ich und der unbekannte Mann uns nicht nur gesehen und erkannt, sondern darüber hinaus gespürt, dass unsere eigenen Puzzleteile zusammenpassen.
Foto: Spyros Rennt