Heterolike mich am Arsch
Marcel Dams
Unser Autor nerven frauenfeindliche Klischees in der Schwulenwelt. Deshalb hat er auch keine Lust mehr, einen auf Hetero zu machen, damit ihn andere Schwule attraktiver finden.
Letztens wollte mich ein Typ ficken. Sein Profil schmückten Schlagworte wie „Straight Acting“ und „Heterolike“ und er schrieb, dass Boys ihm öfter bestätigen, wie gut er im Bett sei. Es fehlten lediglich Rezensionen in einem Gästebuch:
Der Schwanz entspricht in vollem Umfang den Erwartungen und wurde geliefert wie beschrieben. Top Produkt!
Schnelle und unkomplizierte Spermaübergabe. Gerne wieder!
Das Produkt löst einen Würgereflex bei mir aus. Ich würde es jederzeit wieder bestellen.
Mein erster Gedanke war: super Voraussetzung. Erfahrung und positive Bewertungen schaden ja nie. Er fragte mich noch, ob ich denn öfter Sex habe. Ich war ehrlich und antwortete mit „Ja!“ Seine Antwort war, dass er sich nicht mit mir treffen wird, weil er Nutten nicht ausstehen könne.
Einen Regenbogenkick für Homohass
Ich, eine Nutte? In der Schwulenwelt werden frauenfeindliche Stereotype leider häufig reproduziert: Schwul ist nur, wer sich ficken lässt, eine Nutte ist der, der sich ficken lässt. Wir alle wissen, dass Frauen dadurch zu Schlampen werden, Männern hingegen zu Helden. In der Schwulenwelt denken manche wohl ähnlich.
Die Wahrheit aber ist, dass du genauso schwul bist und dass es deine Unsicherheit ist, die dich auf der Suche nach dem heterolikem Strohhalm einholt. Wenn mich jemand homofeindlich anmacht, dann gibt es ab sofort einen Regenbogenkick! Das gilt auch für Homohasser in den eigenen Reihen, die sich wegen dem bisschen „Straight Acting“ oder weil sie „Heterolike“ sind für etwas Besseres halten.
Ich will mich aber gar nicht „hetero“ verhalten, denn spätestens, wenn ich einen Schwanz lutsche oder gefickt werde, wird deutlich, was ich bin: Schwul. Queer. Ein Mann, der Männer begehrt.Es würde mich allerdings auch nicht weniger schwul machen, wenn ich rein aktiv wäre, mit einer tiefen Stimme brummen oder so breitbeinig durchs Leben laufen würde, als seien meine Eier größer als die Kirchenglocken des Kölner Doms.
Wir werden nicht erst schwul, wenn ein Schwanz uns zeigt, dass die Prostata ein Lustzentrum sein kann oder wir nicht immer und zu jeder Zeit unsere Maskulinität unterstreichen. Der Glaube, die sexuelle Rolle, dein Auftreten oder deine Vorlieben machen dich männlicher oder weiblicher, ist nur ein Hereinfallen auf alte Geschlechterklischees.
Als passiver Part fickte ich schon Männer, ohne dass sie es merkten. Wer sich fallen lässt und der Leidenschaft den Handlungsstrang überlässt, der fickt den anderen. Egal ob aktiv oder passiv. Noch besser fand ich es, wenn beide oder alle die dabei sind, sich gleichzeitig darauf einlassen konnten. Dann wurde es so gut, dass ich nicht selten für diese Momente all die Scheiße vergaß, die das „anders sein“ mit sich bringen kann.
Die, die für uns kämpften
Ich war glücklich, denn meine sexuelle Orientierung und das, was ich sexuell auslebe, unterscheidet sich zwar von der und dem der Mehrheit. Ich habe aber das Glück meine Bedürfnisse zu erkennen, den Mut sie auszuleben, mich fallen zu lassen und den Kopf sowie die Gedanken, ob das sein darf oder nicht, auszuschalten. Es ist diese Mischung aus Glück und Mut, die selten, ganz ist wohl niemand davor gefeit, dazu führt, dass ich andere abwerten muss, um mich besser zu fühlen.
Weniger unsicher waren diejenigen, welche in der Christopher Street vor dem Stonewall Inn 1969 den Aufstand probten. Es waren vor allem Tunten, Drags, trans* Menschen und lesbische Frauen, die den Satz „Stonewall was a Riot“ mit Leben füllten. Sie lebten ein queeres, ein anderes Leben, als es noch mit Razzien, Strafverfolgung und gesellschaftlicher Ächtung verbunden war.
Es geht nicht darum, heutige Schwierigkeiten queerer Menschen zu relativieren, es ist aber wichtig, dass man, bei all dem Tuntenhass, Slutshaming, Bottomshaming und der Sehnsucht nach Anpassung, nicht vergisst, wer die Lorbeeren erkämpft hat, auf denen wir sitzen.
Wer sich nicht aus ihnen ausruhen, sondern weitere ernten will, muss Zukunft auch durch Erinnerung zu schaffen. Das geht nur gemeinsam und es geht nur, wenn wir alle mitnehmen, die unsere Community ausmachen. Dazu gehört auch, keinen auszugrenzen, weil wir selbst homofeindliche Mechanismen und Haltungen verinnerlicht haben, die uns gesellschaftlich eingepflanzt wurden.
Internalisierter Homohass
Es kommt vielleicht überraschend, aber ich war selbst lange homofeindlich. Ich kenne die Hintergründe und den Wunsch so zu sein, wie die anderen. Ich weiß, wie es ist auf andere zu treten, um sich selbst besser zu fühlen und eine Rolle zu spielen, um vermeintlich dazuzugehören. Das Schlimme ist: Erst einmal funktioniert es.
Ich habe so lange nach unten getreten, bis ich keine Kraft mehr hatte. Denn ich wurde abhängig davon. Ich musste immer wieder nach unten treten, um mich selbst ertragen zu können. Das Glück aber wartet dort, wo wir das Unveränderbare annehmen. Wir sind nicht gleich. Wir sind dennoch gut. Man muss nicht gleich sein, um gut zu sein.
Ich spiele sicher nichts mehr vor, um für etwas akzeptiert zu werden, dass ich nicht bin. So schwanzgeil ich auch manchmal sein kann, so wenig befriedigend wäre es, meine Würde – außerhalb eines konstruierten Rollenspiels, welches durchaus spannend sein kann – abzulegen, nur um an einen zu kommen. Wenn du das also verlangst, nur damit ich mit dir ficken „darf“: Nein danke. Heterolike mich am Arsch!
Foto: Spyros Rennt
Foto: Spyros Rennt