Foto: Spros Rennt

Die falsche Lieferung

Torsten Nobir

Bei unserem anonymen Autoren, den wir hier Torsten Nobir nennen, dreht sich alles um Sex. Diesmal gibt er uns einen intimen Einblick in seine erste Erfahrung mit einem männlichen Escort.

 

Ich dachte mir letzten spontan: Heute gebe ich hundert Euro für eine Massage und einen Fick aus – und zwar ohne Gegenleistung, ohne Suche und längere Absprachen, ohne Kompromisse. Deshalb gehe ich auf Planetromeo all die „HUNQZ“ durch, die ihre Dienste anbieten. Die Vorschaubilder sehen ganz schön heiß aus. Ich bin auf der Suche nach einem zupackenden, aktiven Typen. Er soll mich zuerst am ganzen Körper durchkneten, mich alles vergessen lassen, genießen, und dann schön ficken bis er kommt.

 

Ich kann in einer Stunde bei dir sein, bringe das Geld in bar mit. Bitte vorher duschen.

 

Ein 26-jähriger Latino, schlank, glatte Haut, schöner Arsch. Ich schreibe ihn an, schaue mir nochmal seine Bauchmuskeln an. Er hat noch was Jugendliches an sich, sein Teil ist dafür richtig mächtig und ausgewachsen. Ich komme bei sowas direkt zur Sache: „Hi, wie viel kostet eine Stunde mit Massieren, blasen, von dir gefickt werden?“ – „100 Euro. Bin im Sansibar Hotel besuchbar.“ – Ein Hotel in der Nordstadt, alles klar, ich werde zunehmend geiler: „Ich kann in einer Stunde bei dir sein, bringe das Geld in bar mit. Bitte vorher duschen.“

 

Sexwork is work too

Ich fahre los, nehme mir ein Taxi und frage mich: Ist das nun etwas Dummes, was ich mache? Ich bin doch ganz schön jung für einen Stricher, oder? Natürlich bin ich total liberal, was Prostitution angeht – sexwork is work too und so weiter – aber wenn es einen selbst betrifft, kommen doch Zweifel auf. Ich fahre trotzdem hin.

 

Am Hotel angekommen, bezahle ich den Taxifahrer für seine Dienste und schaue auf das große Hotel Sansibar. Es ist früher Abend, das Hotel wirkt seltsam grau. Kein heißer Boy zu sehen – ich steige aus dem Auto aus und lief auf das Hotel zu. Und tatsächlich, die Tür öffnet sich, allerdings ist das bloß eine gut aufgemotzte Dame, die meiner unbeachtet den Gehsteig entlang los eilt. Ich warte ein paar Minuten, wahrscheinlich nur drei, die sich aber wie 20 anfühlen. Du Idiot, dachte ich mir, wurdest verarscht – dumme Idee!

 

Und von der Seite kommt ein Mann auf mich zu: „Hi!“ Ich: „Hi.“ Es ist nicht der, den ich gebucht hatte. Das hier war einer mit kleiner Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen, sehr muskulös und Anfang dreißig. Auch ein geiler Typ, keine Frage, aber… ich folge ihm ins Hotel. In das Hotel nebenan, um genau zu sein. Nicht das Sansibar, dessen Adresse er, oder vielmehr der HUNQ, den ich eigentlich gebucht habe, mir im Chat mitgeteilt hat. Also in die Kaschemme nebenan, vorbei an dem demonstrativ desinteressierten Rezeptionisten und hoch in den zweiten Stock. Mein Gegenüber macht mir Komplimente zu meiner Kleidung und wir betreten ein Hotelzimmer.

 

Ein Ficker mit Zahnlücke

Ich schaue mich im kleinen Hotelzimmer um und frage mich: Werde ich nun ausgeraubt? Oder kommt doch gleich der Typ, den ich eigentlich gebucht hatte ums Eck? Wohl kaum: hier gibt es kein Eck – nur ein enges Stockbett. Kurz denke ich, mein Wunschpartner liegt da oben und versteckt sich, springt gleich hoch und herab wie aus einer Torte; ich blicke über den Bettrand, aber da ist niemand. Vor mir nur der Ficker mit der Zahnlücke.

 

Er zieht sich aus, knallt sich aufs Bett – ich tu es ihm gleich und warte bäuchlings auf die Massage. Doch nichts dergleichen folgt, stattdessen flappt er mir einmal mit der flachen Hand auf den Arsch. Wie sinnlich. Von dem Gedanken gelöst, gleich eine Massage zu bekommen, fange ich an, seinen beachtlichen Schwanz zu blasen, der dann auch so halb steif wird. Daraufhin lege ich mich auf den Rücken: Er möge mich ficken, gebe ich ihm zu verstehen. Sein halbsteifer Schwanz drang unbefriedigend wie ein Stück warme Butter in mich ein. Er flexte seine Brustmuskeln und den Bizeps, aber abgesehen davon war das wirklich eine lahme Nummer.

 

Ich legte ihn auf den Rücken, setzte mich auf seinen Penis und holte mir einen runter. Nachdem ich abgespritzt habe, war er sichtlich erleichtert, dass seine Arbeit vollendet war. Ich hatte zwar schon besseren Sex, bin aber immerhin um eine Erfahrung schlauer. Wenn ich das nächste Mal einen Escort buche, verhalte ich mich wie in einem Restaurant und lasse das Gericht zurückgehen, wenn mir etwas anderes als bestellt, geliefert wird.

Foto: Spros Rennt