Mpox-Eindämmung: Erfolg der Community?

Die Reaktion der staatlichen Stellen auf den Mpox-Ausbruch wurde vergangenes Jahr teils heftig kritisiert. Manche fragen sich deshalb: Ist der Rückgang der Mpox-Infektionen vielmehr ein Ergebnis der kollektiven Kraftanstrengung unserer Community?

Es waren Schlagzeilen, die wohl niemand lesen wollte: Im Mai 2022 berichteten Medien inmitten der Corona-Pandemie von einem “Affenpocken-Ausbruch” in Europa. Das Virus verbreitete sich alsbald auf dem ganzen Kontinent mit einer Geschwindigkeit, die Expert*innen Sorgen bereitete.

Doch die Mehrheitsbevölkerung schien schon bald aufzuatmen. Zwar handelt es sich bei den “Affenpocken” nicht um eine Geschlechtskrankheit im engeren Sinne, das Virus kann bereits über engen Hautkontakt weitergegeben werden. Doch die überwiegende Mehrheit der Infizierten waren, und sind noch immer Männer, die Sex mit Männern haben. Laut dem Robert Koch-Institut sind von landesweit insgesamt 3.670 Fällen (Stand: 6. Dezember) bislang nur 19 weibliche Fälle, vier Fälle bei männlichen Jugendlichen und zwei Fälle bei Kindern unter 14 Jahren übermittelt worden.

Dieser Umstand führte in der internationalen Berichterstattung dazu, dass “Affenpocken” von einigen Medien bald schon fälschlicherweise als “Schwulenkrankheit” betitelt wurden. Das weckte bei so manchem dunkle Erinnerungen an den diskriminierenden und fehlerhaften Umgang der Medien mit der Aids-Krise der 1980er Jahre. Auch damals wurden HIV und Aids als Angelegenheit abgetan, die nur schwule Männer betrifft. 

Stigmatisierung der Communitys

“Dadurch, dass die Gruppe von schwulen und bisexuellen Männern die meisten Fälle ausgemacht hat, klang es in der Berichterstattung zum Teil so, als wäre es eine Krankheit, die nur schwule Männer betrifft” erzählt Timo. Der 27-jährige Studierende lebt in Berlin und heißt eigentlich anders. Doch weil das Thema immer noch mit Stigmata belastet ist, möchte er lieber anonym bleiben. “Verbunden mit dem Namen ‚Affenpocken‘ hat sich das sehr diskriminierend angefühlt”, sagte er weiter. 

Dass der Name “Affenpocken” für Betroffene stigmatisierend wirkt, hat auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkannt. “Nach Beratungen mit globalen Experten wird die WHO damit beginnen, die neue bevorzugte Bezeichnung Mpox als Synonym für Affenpocken zu verwenden.” So steht es in einer Erklärung der Organisation.

“In Clubs haben Frauen zu mir gesagt, dass sie nicht aus meiner Flasche trinken wollen, weil wir Gays mit den Affenpocken zu tun haben”

Timo

Doch nicht nur die Berichterstattung empfand Timo als problematisch. Ebenso sei es schwierig für ihn gewesen, wie Menschen außerhalb der Communitys mit dem Ausbruch umgegangen seien: “In Clubs haben Frauen zu mir gesagt, dass sie nicht aus meiner Flasche trinken wollen, weil wir Gays mit den Affenpocken zu tun haben”, berichtet der Wahlberliner. 

Doch die wohl unrühmlichste Rolle während des Mpox-Ausbruchs hat der Staat eingenommen. Sein Agieren bzw. Nicht-Agieren während der Hochphase ließ viele ratlos und wütend zurück. Denn die Impfkampagne gegen das Virus verlief vielerorts verspätet – selbst als der Impfstoff teilweise schon zur Verfügung stand. Es schien fast so, als hätte man nichts aus der Corona-Pandemie gelernt.

Das misslungene Impfmanagement und seine weitreichenden Folgen

Ausgerechnet Berlin fiel mit seinem konsequent misslungenen Impfmanagement negativ auf. Dabei war die Stadt der Mpox-Hotspot Deutschlands, nirgends infizierten ich so viele Menschen mit dem Virus wie in Berlin. Laut dem Tagesspiegel lagerte die Metropole zwischenzeitlich rund 8.000 Impfdosen, die aufgrund bürokratischer Hindernisse nicht verabreicht werden konnten.

Holger Wicht, Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe, sagte zu dieser Zeit gegenüber dem rbb: “Da müssen sich die Verantwortlichen die Frage gefallen lassen, ob sie den Schutz der Betroffenen, also vor allem von Männern, die Sex mit Männern haben, wirklich ernst nehmen.”

“Da müssen sich die Verantwortlichen die Frage gefallen lassen, ob sie den Schutz der Betroffenen, also vor allem von Männern, die Sex mit Männern haben, wirklich ernst nehmen.”

Holger Wicht, Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe

Das misslungene Impfmanagement führte nicht nur dazu, dass Impfwillige nicht an das Vakzin kamen und die Gefahr, sich anzustecken, somit hoch blieb – sondern hatte laut Dirk Sander, ebenfalls von der Deutschen Aidshilfe, viel weitreichendere Folgen: “Es war auch Wut und Trauer in den Communitys zu verspüren, weil man sich schon auf einen relativ Corona-freien Sommer gefreut hatte. Die Psyche war bei einigen nicht die Beste. Ich hörte auch aus der Szene, dass der Konsum von Alkohol und anderen Drogen in dieser Zeit ‚teilweise suizidal‘ gewesen sei.”

Viele schwule und bisexuelle Männer fühlten sich laut Sander schlichtweg im Stich gelassen: “Besonders Aussagen, wie: ‚Die sollen mal die Füße stillhalten, dann braucht es auch keine Impfung‘ haben zu diesem Gefühl beigetragen”, erklärt er. 

Wie schwer es zu Beginn war, an eine Impfung zu kommen, weiß auch Timo: “Ich habe versucht, bei meinem Hausarzt einen Impftermin zu bekommen.” Doch ihm wurde gesagt, er solle es in vier bis sechs Wochen noch mal versuchen. Auch bei der eigens eingerichteten Impf-Hotline wurde der Studierende vertröstet. Schnell machte sich deshalb ein Gefühl der  Ernüchterung bei ihm breit – und das Gefühl, auf sich alleine gestellt zu sein. 

Eindämmung des Virus dank der Communitys

Deshalb beschloss er, sein Sexualverhalten proaktiv einzuschränken. “Freunde haben mir berichtet, wie schmerzhaft eine Infektion sein kann. Das hat mich einfach zu sehr beunruhigt”, erklärt er. Auch vor der dreiwöchigen Isolation fürchtete er sich. “Mitten im Sommer drei Wochen lang alleine in meiner Wohnung verbringen zu müssen – davor hatte ich einfach zu viel Angst.” 

Auch Maurice, der eigentlich anders heißt, und sein Partner, mit dem der 29-Jährige in einer offenen Beziehung lebt, entschlossen sich dazu, selbst aktiv zu werden: “Wir haben radikal auf jegliche sexuelle Abenteuer verzichtet”, berichtet er. Und auch er musste lange auf eine Impfung warten: “Ich habe 25 Praxen angeschrieben, bis ich nach ungefähr drei Wochen einen Termin bekommen habe”, so Maurice. 

“Es ist schon belegt, dass schwule und bisexuelle Männer schon nach den ersten Medienberichten ihr Verhalten angepasst haben. Ansonsten wäre der Verlauf der Epidemie gar nicht erklärbar.”

Dirk Sander, Deutsche Aidshilfe

So wie Timo und Maurice schränkten auch viele andere Männer, die Sex mit Männern haben, ihr Sexualverhalten ein. Sander sagt dazu: “Es ist schon belegt, dass schwule und bisexuelle Männer schon nach den ersten Medienberichten ihr Verhalten angepasst haben. Ansonsten wäre der Verlauf der Epidemie gar nicht erklärbar. Die Impfungen kamen ja recht spät und dann häppchenweise.” Laut dem RKI ist die Zahl der Mpox-Fälle seit August rückläufig, seit Mitte Oktober wurden nur noch Fallzahlen im einstelligen Bereich berichtet. Während der Hochphase seien es 420 Fälle pro Woche gewesen.  

Ein Erfolg, den sich also wohl nicht der Staat, sondern die Communitys auf die Fahne schreiben dürfen. Aber hat der Mpox-Ausbruch doch langfristige Folgen? Ist schwulen und bisexuellen Männern womöglich der Spaß und die Lust am Sex vergangen? Dazu sagt Sander: “Anhand interner Statistiken aus dem Freizeitbereich schwuler Männer, konnte man deutlich sehen, dass sich die Stimmung wieder drehte: nachdem zunehmend mehr Leute geimpft, und die Zahlen zurückgingen, hat sich das Verhalten wieder normalisiert. Zum Glück!”

Mittlerweile ist der Impfstoff laut der Ständigen Impfkommission (STIKO) in ganz Deutschland verfügbar. Wer bisher nur eine Dosis oder noch gar keine erhalten hat, sollte mittlerweile also einfach und zügig an einen Termin kommen. Die Exptert*innen-Gruppe rät allen, die das Vakzin bisher nur einmal verabreicht bekommen haben, zu einer zweiten Dosis. Wer sich noch nicht hat impfen lassen, sollte dies laut der STIKO nachholen. “Der Ausbruch ist noch nicht beendet…” 

Weitere Infos zu Mpox
Mpox heilen zum Glück in der Regel von alleine wieder aus, können aber sehr unangenehme und schmerzhafte Symptome haben. Der beste Schutz ist die Impfung. Sie ist kostenlos und auch für Menschen ohne Versichertenkarte möglich.

Alle Infos findest du auf Deutsch, Englisch, Ukrainisch und Russisch unter www.iwwit.de/mpox.
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