„Es reicht!“ findet Manuel – Die Sache mit dem ‚richtigen Sex‘

In den letzten Jahren waren aus meiner Sicht die Berichte über trans* Personen in den Medien zu reduziert auf das Körperliche. Am Ende wurden trans* Menschen sogar mit der Kamera bis auf den OP-Tisch verfolgt, um zu zeigen, wie und was an Genitalen operiert wird. Ich sehe keine Bereicherung für cis Menschen darin. Es dient lediglich einem niederen Sensationsdrang als der echten Aufklärung.

In den letzten Jahren waren aus meiner Sicht die Berichte über trans* Personen in den Medien zu reduziert auf das Körperliche. Am Ende wurden trans* Menschen sogar mit der Kamera bis auf den OP-Tisch verfolgt, um zu zeigen, wie und was an Genitalen operiert wird. Ich sehe keine Bereicherung für cis Menschen darin. Es dient lediglich einem niederen Sensationsdrang als der echten Aufklärung.

Die Sache mit dem „richtigen Sex“
Ich bin jetzt 15 Jahre trans* Aktivist und immer noch fassungslos, wie unverblümt ich manchmal nach meinen Genitalien gefragt werde. Dazu gehören Fragen wie: „Bist du schon komplett?“ Wenn man sich die Frage genauer ansieht, lässt sie keine andere Möglichkeit als eine Genital-OP zu, wenn man(n) „ganz“ sein will. Aber nicht jeder trans* Mann braucht oder möchte diese Operationen, was seine Männlichkeit nicht in Frage stellt. Die noch dreisteren Fragen lauten etwa: „Funktioniert der auch; wird der auch richtig hart?“ Würden die Fragesteller*innen solche Fragen stellen, wenn sie wüssten, wie schmerzhaft und langwierig die Prozesse sein können, sich für oder gegen eine Operation zu entscheiden, und welche möglichen gesundheitlichen Risiken es gibt?

Irgendwie scheint das Recht zu bestehen, einen trans* Menschen bis unter die Gürtellinie ausfragen zu dürfen. Eine natürliche Barriere namens Respekt scheint nicht vorhanden zu sein. Dieses Recht gibt es aber nicht, auch nicht für die Person, die mit einem trans* Mann intim werden möchte. Was steht hinter den Fragen? Ich vermute die Neugierde, ob man mit uns auch Sex haben kann. Oder besser gesagt: „richtigen Sex“. Und wie der aussieht, scheint jeder Mensch zu wissen und darin Expert_in zu sein.

Was genau will jemand ausdrücken, wenn er/sie zu einem trans* Mann sagt „Du hast ja keinen Schwanz!“? Im Prinzip gibt eine solche Person lediglich Informationen über sich selber preis: Nämlich das sie wenig bis nichts zum Thema trans* weiß. Und dass sie sich einen cis Penis für ihre Sexualität wünscht, oder ausschließlich darauf fixiert ist. Vermutlich ist so eine Person auch nicht bereit, etwas zu probieren was eventuell auch schmecken könnte. Also dann eben immer nur Schnitzel, das ist völlig in Ordnung! Wer allerdings gerne international isst, weiß, es gibt viel mehr, was schmecken kann.  Es kann also Sinn machen, seinen Geschmacks-Horizont zu erweitern.

Ich habe lange nachgedacht was genau ich an diesen Fragen nach Genitalien so verletzend finde. Ich glaube es war die vermutete Unterstellung, mit uns könne man keinen „richtigen“ Sex haben. Aber Leute! Wir sind keine Schaufensterpuppen, die „nichts“ zwischen den Beinen haben. Wir haben funktionsfähige Genitalien in allen erdenkliche Variationen und natürlich Lust auf Sex, auf Knutschen und auf alles, was dazu gehört.

An diejenigen, die Menschen mögen
Hier meine persönliche ganz einfache Antwort auf die Frage, ob man mit uns Sex haben kann: „Das kommt auf Dich an!“ Es gibt sie, die Menschen von denen ich immer sage, sie haben eine natürliche tief sitzende Offenheit und Genussfähigkeit für Sexualität und Liebe. Sie brauchen keine Workshops, keine Seminare und auch diesen Artikel nicht. Sie mögen Menschen, sie fühlen eine Attraktivität und lassen den Moment zu. Sie haben keine Angst, sie schätzen die Aufregung des Neuen und haben vermutlich größeres Vertrauen ins Leben und in das, was ihnen darin begegnet. Das sind schöne Situationen und werden hinterher oft als äußerst bereichernd empfunden. Nicht wenige gehen dann auf die Suche nach uns. Wir bekommen Zuschriften in Internetportalen, werden angesprochen, teilweise sogar verfolgt.

Jeder von uns hat andere Vorstellungen und Vorlieben beim Sex. Es gibt keine einfachen Antworten und keine einfachen Definitionen, aber gilt das nicht für alle Menschen? Sich für eine trans* Mann zu interessieren, heißt, eventuell mit eigenen Ängsten in Berührung zu kommen. Es heißt, nicht genau zu wissen wie der andere funktioniert und was er mag oder nicht mag. Und wir alle wissen erst hinterher, ob es uns gefallen hat. Aber ist es nicht das, was Sex auch ausmacht – egal ob trans* oder cis?

Sex ganz ohne Gebrauchsanweisung
Könnt ihr euch noch erinnern, als ihr 14 oder 15 Jahre alt gewesen seid und eure ersten Erfahrungen gemacht habt, ohne zu wissen was auf euch zukommt? Könnt ihr euch noch an das schöne Gefühl von Aufregung und auch ein wenig Angst erinnern? An das Kribbeln im Bauch? Ich erinnere mich gerne daran. Und ganz ähnlich fühlt es sich an, wenn man sich auf etwas einlässt ganz ohne Gebrauchsanweisung – ohne zu wissen, was genau einen jetzt erwartet, oder wer aktiv oder passiv ist und so weiter. Man muss nicht immer vorher mehr wissen, als zum Handeln im Hier und Jetzt nötig ist. Und manchmal kommt der Hunger erst beim Essen.

Und zu guter Letzt: Es darf auch Körbe geben auf beiden Seiten. Denn Begehren kann man nicht einfordern, und ein gewisser Mut zum Risiko gehört dazu. Auch die Fähigkeit, mit Ablehnungen umzugehen. Das betrifft uns alle. Denn selbst das beste vorbereitete Date – auch unter cis Menschen – mit allen vermeintlich nötigen Informationen zu Sexvorlieben und zum Körper kann in die Hose gehen, wenn die Chemie nicht stimmt.

Was ich uns wünsche, ist Offenheit für die Situationen im Leben die uns begegnen – und den Mut „Ja!“ zu sagen, wenn ich Interesse habe und begehre.

man doing a break
Sex mit einem schwulen trans* Mann? Manuel hat keinen Bock mehr auf die immer gleichen Fragen.
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