Stell dir vor, du gehst in Baden-Württemberg zur Schule. Würdest du erwarten, eines Tages in die Klasse zu kommen und von einer Drag Queen über Schwule, Lesben, Bisexuelle und Trans*-Menschen aufgeklärt zu werden? Betty BBQ hat genau das gemacht. Wir haben mit ihr und dem Lehrer Daniel Hey gesprochen.
Betty, du hast an einer Realschule in Baden-Württemberg Aufklärungsunterricht im Fummel gegeben. Wie kam es dazu?
(Betty BBQ) Ganz einfach, ich wurde darum gebeten. Der Lehrer Daniel Hey kam auf mich zu und hat mich gefragt. Und letzten Endes hat er mich auch überzeugt.
Du wolltest also eigentlich nicht. Warum nicht? Welche Erwartungen hattest du?
(Betty) Wir wissen ja alle, in der Schule wird nicht viel über „Anderssein“ gesprochen. Und manche Vorbilder junger Menschen verteufeln das „Anderssein“ oder sind direkt homophob, wie es im Hip Hop oft der Fall ist. Deshalb hatte ich ehrlich gesagt nicht viele Erwartungen und hatte auch ein bisschen Schiss.
Daniel, warum wolltest du, dass Betty im Fummel in die Schule kommt?
(Daniel Hey) Zwei Aspekte waren für mich wichtig: Zum einen wollte ich den Schülern eine Blick in eine Lebenswelt ermöglichen, die sie bisher noch nicht kannten. Zum anderen fungiert Betty als „Queer“-Spezialistin, die den Jugendlichen all das erklären kann, was ihnen rund um die Themen LGBT und Queer noch unbekannt war.
Wie ist es gelaufen?
(Betty) Sehr gut, ich habe eine sehr interessierte Klasse vorgefunden und meine Bedenken waren schnell verflogen.
Was hast du konkret gemacht?
(Betty) Ich hab über meine Aktivitäten als Drag Queen und über meine ehrenamtliche Arbeit bei GenTLe Man, dem Präventionsprojekt der Aids-Hilfe Baden-Württemberg gesprochen. Danach habe ich die Fragen der Jugendlichen beantwortet.
Welche Fragen haben sie dir gestellt?
(Betty) Wie schon erwähnt, hab ich mit kaum was Gutem gerechnet. Ich wurde allerdings von schlauen und ehrlich interessierten Fragen überrascht. Es gab Fragen zu Queer-Themen, direkt zu Homophobie oder die Standardfrage wie lange ich zum Schminken brauche (lacht). Und das Tollste: Es gab keine einzige Frage unterhalb der Gürtellinie.
Wie hast du die Stunde empfunden, Daniel?
(Daniel) Ich fand’s auch toll. Ich bin davon überzeugt, dass mangelnde Toleranz auf Angst vor dem Unbekannten beruht. Mit dem Besuch von Betty wollte ich erreichen, dass die Jugendlichen in einem für sie sicheren Rahmen Berührungspunkte zu jemandem bekommen, die sie sonst nicht erfahren würden. Als „Botschafterin für Toleranz“ hat Betty dazu beigetragen, andere Lebensformen aus der „Freak-Ecke“ zu holen.
Was hat eigentlich das Kollegium oder der Direktor zu Betty Besuch gesagt?
(Daniel) Das Kollegium war größtenteils von der Idee angetan und zeigte sich interessiert an dem Unterrichtsvorhaben. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass einige Lehrer ebenfalls an Besuchen von Betty interessiert sind und kann diese auch nur wärmstens empfehlen. Meine Schule hat das Glück, einen sehr offenen Rektor zu haben, der mir die für den Besuch nötigen Freiheiten überließ. Kritische Stimmen hingegen gibt es immer, was auch berechtigt ist, da nur im gemeinsamen Dialog Entwicklungen stattfinden können, die für alle Seiten tragbar sind.
Die Debatte über den Bildungsplan in Baden-Württemberg schlug bundesweit hohe Wellen. War der Bildungsplan Thema bei deiner Unterrichtsstunde?
(Betty) Die Stunde war ja quasi Bildungsplan, wie er idealerweise sein sollte (lacht). Als solcher war er aber kein Thema.
Deine Sicht Daniel: Ist die Bildungsplanreform an eurer Schule ein großes Thema?
(Daniel) Das war es, ja. Kollegen zeigten sich schockiert von der Petition, die sexuelle Vielfalt aus dem neuen Bildungsplan verbannen wollte. Sie verwiesen per Mail und Aushang auf die Gegenpetition und zeigten also ihre Unterstützung für das Vorhaben der Landesregierung. Dies führte in den darauffolgenden Tagen zu kontroversen Diskussionen im Lehrerzimmer, die ich als gewinnbringend betrachte.
Grundsätzlich: Hast du das Gefühl, dass ihr in Baden-Württemberg homophober seid als anderswo?
(Betty) Das möchte so nicht sagen, aber ich glaube durchaus, dass eher ländliche Regionen größere Probleme haben. Auch meine Heimatstadt, die Schwarzwald-Metropole Freiburg, hat noch großen Nachholbedarf. Deshalb ist es ja wichtig an Schulen zu gehen. Wenn abends dann am Esstisch mal nicht über Schwule oder andere Minderheiten geschimpft wird, sondern ernsthaft über Toleranz diskutiert wird, habe ich schon was erreicht.
Am Samstag, 17. Mai ist Internationaler Tag gegen Homophobie. Wie sieht es bei dir aus: Wurdest du schon diskriminiert?
(Betty) Natürlich! Als Drag Queen stehe ich ja quasi an der Front. Wenn ich direkt angesprochen oder angepöbelt werde, kann ich das mit der Schlagfertigkeit einer Drag Queen regeln. Von körperlichen Angriffen wurde ich bis jetzt zum Glück verschont.
Aber solche Vorfälle geben mir Kraft, weiterzumachen. Ich habe den Vorteil, dass all das mit der Kunstfigur Betty BBQ nach einem langen Tag in der Dusche im Abfluss weggespült wird. Das kann nicht jeder und diese Schwulen und Lesben, Bisexuellen und Trans*-Menschen brauchen unsere Solidarität und Unterstützung im Kampf für Gleichstellung und Akzeptanz.
Hier findet ihr eine Übersicht, in welchen Städten es am 17. Mai Aktionen gegen Homophobie gibt: http://de.rainbowflash.info/