Die Weltfußballorganisation lässt bei der WM offenbar nicht genügend HIV-Prävention in Stadien und auf Fanmeilen zu. Nichtregierungsorganisationen kritisieren Blockadepolitik
Einige Tage vor Beginn der Fußball-WM in Südafrika beklagen HIV/Aids-Aktivisten und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) des Gastgeberlandes, dass ihnen die FIFA ihre Arbeit schwer mache. Die Zusammenarbeit sei in den letzten Monaten alles andere als reibungslos verlaufen und die Ergebnis seien „weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben“, sagte ein leitender Mitarbeiter des South African National AIDS Council (SANAC), Mark Heywood, am Freitag Medienvertretern.
Im November 2009 hatten sich NGOs und Vertreter der FIFA sowie der südafrikanischen Regierung zu einem Symposium zusammengefunden, um ein gemeinsames Vorgehen zu beschließen. Laut Heywood waren die Gespräche produktiv und von gegenseitigem Respekt geprägt. Es sei das Ziel formuliert worden, die Weltmeisterschaft dazu zu nutzen, die Weltöffentlichkeit über HIV und Aids in Südafrika und auf dem gesamten afrikanischen Kontinent zu informieren.
Das südliche Afrika ist die weltweit am stärksten von HIV/Aids betroffene Region. Hier leben mehr als 20 Millionen Menschen mit dem Virus. Jeder vierte erwachsene Bürger des Landes Südafrika ist HIV-positiv.
„Es gab große Pläne, aber nichts davon ist passiert“, sagt Heywood. „Die FIFA hat SANAC in keiner Weise so eingebunden, dass das Event zur Information oder Mobilisierung zu HIV und Aids genutzt werden könnte. Diese Möglichkeit wurde leichtfertig vertan. Uns ist bewusst, dass die Freude und Aufregung über das Event und der Zustrom von Besuchern aus aller Welt zu einem Anstieg riskanten Verhaltens führen wird, dem wir breit entgegenwirken wollten. Dies ist uns nun nicht möglich, weil wir die geplanten vier Millionen Rand [rund 400.000 Euro] nie erhalten haben.“
Mehrere NGOs haben die FIFA in der letzten Woche außerdem in einer Pressemitteilung öffentlich angeklagt, den Zugang zu den Stadien und Fanmeilen zu blockieren und so die Verteilung von Kondomen und Informationen über Prävention zu verhindern. Der Sport- und Entertainment-Koordinator von SANAC, Mabalane Mfundisi, berichtete, er habe viele Male bei der FIFA angefragt, ob es möglich sei, Informations- und Präventionszentren in den Stadien zu betreiben – ohne eine Zusage zu bekommen.
Die FIFA bestreitet, dass es diese Anfragen gegeben habe.
Andere NGOs berichten hingegen von ähnlichen Schwierigkeiten. „Wir haben endlose Amtswege über uns ergehen lassen, um eine Genehmigung zu erhalten. Einen Monat vor der WM hatten wir die immer noch nicht und haben deswegen beschlossen unsere Anstrengungen anderweitig zu fokussieren“, berichtet Richard Delate, Direktor des John Hopkins Health and Education Centers in Südafrika.
Medienberichten zufolge hat UNAIDS-Geschäftsführer Michel Sidibé sich nun in einem Brief an FIFA-Präsident Sepp Blatter gewandt und ihn gebeten, mit den örtlichen NGOs zusammenarbeiten.
Das scheint dringend erforderlich. Zwar hat die FIFA der Installation von Kondom-Automaten in allen Stadien zugestimmt, aber es ist mehr als unwahrscheinlich, dass so genügend Kondome zur Verfügung gestellt werden können.
Meisie Lerutla vom UN Population Fund (UNFPA) schätzt die Anzahl der benötigten Kondome auf 100 Millionen. Zwar will die südafrikanische Regierung während der Weltmeisterschaft 55 Millionen zusätzliche Kondome verteilen lassen und die britische Regierung hat über 40 Millionen Kondome gespendet. Wie die zu den Fans in die Stadien oder auf die von der FIFA kontrollierten Fanmeilen gelangen sollen, scheint aber bisher niemand genau zu wissen.
(Paul Schulz)