Der Verfolgung und Unterdrückung in ihrem Herkunftsland mögen LGBT-Flüchtlinge zwar entronnen sein, frei und offen schwul bzw. lesbisch leben können sie deshalb in Deutschland noch lange nicht. Von Homophobie in Flüchtlingsheimen aber auch den Möglichkeiten, wie die Community helfen kann.
Wer sich im Flüchtlingsheim als schwul, lesbisch oder trans* outet (oder geoutet wird), muss mit Mobbing, manchmal sogar mit körperlichen Übergriffen rechnen. Homophobie ist unter den Bewohnern in den Flüchtlingsunterkünften leider verbreitet. Jouanna, die Sozialmanagerin des LSDV Berlin-Brandenburg, kennt viele solcher Fälle. Immer wieder wenden sich Betroffene Hilfe suchend an sie. Manchmal gelingt es ihr, im direkten Gespräch mit der Heimleitung ein Einzelzimmer in der Unterkunft zu besorgen. Aber das klappt nur selten.
Umso wichtiger ist es, in solchen Fällen für LGBT-Flüchtlinge ein Bett fern der Sammelunterkünfte finden: zum Beispiel als Untermieter bei Privatpersonen oder als WG-Mitbewohner. Jouanna arbeitet dazu bereits erfolgreich mit der Zimmervermittlungsplattform „Flüchtlinge willkommen“ zusammen, aber entscheidend ist die Mitwirkung von Menschen aus der Community, die Flüchtlinge in ihre Wohnungen aufnehmen möchten. Auf diese Weise konnte auch Halim* die Verlegung nach Mecklenburg-Vorpommern erspart bleiben. Er bewohnt nun als ganz regulärer Untermieter ein Zimmer in der Wohnung eines schwulen amerikanischen Wahl-Berliners.
Die Beraterinnen und Berater in Einrichtungen wie das Münchner Schwulen Kultur- und Kommunikationszentrum (SUB) oder der Berliner Aids-Hilfe sind mit der hohen Zahl an Hilfesuchenden fraglos überlastet. Aber nicht alle, die in Deutschland ankommen, sind – wie etwa viele Syrer – traumatisiert von Krieg, Terror und Folter. Nicht alle afrikanischen Menschen sind komplett überfordert von der westlichen Lebenswelt. Sascha vom SUB warnt davor, „Flüchtlinge pauschal zu verelendigen“, wie er es formuliert. „Zu mir kommen höchst qualifizierte schwule Männer, die in Afrika in globalen Unternehmen gearbeitet haben, dann aber geoutet wurden und deshalb ihren Job verloren“. Es werde dennoch nicht einfach sein, sie hier auf schnellem Wege wieder in ihren Beruf zurückzubringen. Aber nicht alle Flüchtlingsbiografen müssen automatisch in Überforderung oder in einer Katastrophe enden“, weiß Sascha aus eigener Erfahrung.
Wie etwa Demba*. Der schwule Mann ist Handwerker, in seiner afrikanischen Heimat hatte er nie eine höhere Schule besucht. Durch eine Spende konnte ihm das SUB einen Sprachkurs am Münchner Goethe-Institut vermitteln. „Bereits nach drei Monaten haben wir unsere Beratungsgespräche auf Deutsch führen können“, berichtet Sascha. Um für ihn dann in seinem Beruf eine Stelle zu finden, mussten zwar einige Hebel in Gang gesetzt werden, aber Demba hatte letztlich Glück. Inzwischen ist er anerkannter Flüchtling und in seinem Betrieb bereits zum Filialleiter aufgestiegen. „Auch solche Geschichten gibt es“, sagt Sascha.
In erster Linie brauchen die Asylsuchenden einfach nur Kontakt zu anderen Menschen.
Doch Asylbewerber, die hierzulande niemanden kennen, die keine Unterstützung durch andere Menschen oder Institutionen erhalten und in Notlagen keinen Sozialarbeiter oder Anwalt an ihrer Seite wissen, haben einen schlechten Start.
Manche können zwar sexuell was erleben, dienen im Zweifelsfalle aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe oder ihrer russischen Herkunft als Fetisch und Sexualobjekt. Mehr Interesse aber besteht dann nicht an ihnen. Dementsprechend tief sind die seelischen Verletzungen und Enttäuschungen. „Sie haben in ihrem Heimatland alles stehen und liegen gelassen, haben große Strapazen auf sich genommen“, sagt Sascha. Sie haben große Hoffnung, wenigstens hier von der schwulen Szene aufgenommen zu werden oder überhaupt mit ihrer Homosexualität umgehen zu lernen.“ All das wird durch ein derartiges Verhalten zunichte gemacht.
Dabei ist gar nicht so viel nötig, um LGBT-Flüchtlingen zu zeigen, dass sie hier willkommen sind und ihnen den Start in ihrem neuen Leben zu erleichtern. In erster Linie brauchen sie einfach nur Kontakt zu anderen Menschen. Sascha wünscht sich deshalb, dass sich Helferkreise speziell für LGBT-Flüchtlinge bilden, die den neuen Mitbürgern zum Beispiel die Stadt und die Szene zeigen, sie bei Behördengängen unterstützen und mit ihnen Deutsch lernen. „Dazu muss man kein Psychologe sein, sondern es braucht einfach ein herzliches Miteinander“, sagt Sascha. Zudem würden dadurch auch die hauptamtlichen Helfer in Beratungsstellen entscheidend entlastet. Sie könnten sich stattdessen besser um die komplizierteren Fälle kümmern, bei denen es professionelle Betreuung braucht.
In München sammeln die queeren Vereinigungen und Organisationen bereits gemeinsam Ideen, wie Flüchtlingen der Weg in die Community erleichtert werden kann. So wird beispielsweise überlegt, Flüchtlingen, aber auch anderen Menschen in sozialer Notlage, die Vereinsbeiträge zu erlassen und ihnen so etwa die Mitgliedschaft beim schwul-lesbischen Sportverein zu ermöglichen. Auf einigen lesbischen oder schwulen Partys wird Flüchtlingen bereits jetzt freier Eintritt gewährt.
Mindestens genauso wichtig, wie LGBT-Flüchtlinge am Leben teilhaben zu lassen, ist aber auch, ihnen die Möglichkeit zu geben, die deutsche Sprache zu erlernen. Das SUB wie auch das Berliner Zentrum für Migranten, Lesben und Schwule (MILES) bieten deshalb eigens Sprachkurse für queere Asylbewerber mit lesbischen bzw. schwulen Lehrern an – stets vorausgesetzt, dass die Kosten für das Lehrmaterial und die Unterrichtsstunden finanziert werden können.
Wer möchte, kann also auch auf ganz altmodische Weiseeinen kleinen oder auch größeren Beitrag zur queeren Wilkommenskultur leisten und Geld spenden.
*Namen von der Redaktion geändert