Gute Arbeit!

Unser Rollenmodell Stephan war in seinem neuen Job als Erzieher von Anfang an offen HIV-positiv.
Offen positiv im Job? Unser Rollenmodell Stephan hat seit einigen Wochen einen neuen Arbeitsplatz als Erzieher in einem Berliner Hort. Seine Devise: Klare Worte von Anfang an. Der Erfolg gibt ihm Recht.
 
Stephan, du hast dich bei deinem neuen Job in einem Schulhort sofort als positiv geoutet. Wie kam es dazu?

Ich gehe generell sehr offen damit um, dass ich positiv bin. Als ich Anfang Februar wieder arbeiten wollte, habe ich mich bei einer Zeitarbeitsfirma anstellen lassen und denen mitgeteilt, dass ich zu 60 Prozent schwerbehindert bin. Und den Grund, meine HIV-Infektion, habe ich ihnen eben auch gesagt. 

Wie waren die Reaktionen? 

Wie immer: Die waren etwas verblüfft, dass ich so offen damit umgehe, aber eigentlich war ihnen das egal. Sie haben gesagt, sie würden bei Vermittlungen natürlich auf meine Schwerbehinderung hinweisen, aber ob und wem ich etwas über die genauen Gründe erzähle, liege völlig bei mir. 

 Und dann kam das Bewerbungsgespräch im Hort. 

Ja, aber auch das war nicht wirklich ein Problem. Der Hort gehört zu zwei Grundschulen, wird aber von einem großen privaten Träger betrieben, der Dutzende von Kinderbetreuungsstätten in Berlin und Umgebung hat. Meine Einrichtung hat zwei Chefinnen, die natürlich erst mal ein bisschen geplättet waren, als ich sagte, dass ich positiv bin, aber sich sehr schnell beruhigten, als ich dargestellt habe, dass mir die Risiken sehr wohl bewusst sind und ich offen und konstruktiv mit dem Thema umgehe. 

Was für Risiken denn? 

Über ICH WEISS WAS ICH TU bin ich ja öffentlich als Positiver präsent. Es besteht also die Möglichkeit, dass mich die Eltern von Kindern zum Beispiel im Internet entdecken. Dann könnte es auch passieren, dass sich mal jemand beschwert, so nach dem Motto: „Der ist schwul, HIV-positiv – und darf sich um mein Kind kümmern?“ Um böse Überraschungen zu vermeiden, habe ich die Leitung des Hortes informiert. 

Angefangen hast du als Zeitarbeiter. Jetzt bist du schon seit einigen Wochen fest angestellt. Wie kam es dazu? 

Gute Arbeit, würde ich sagen! (lacht) Es gab eine offene 30-Stunden-Stelle, und die Leitung war sehr daran interessiert, die mit mir zu besetzen. Die Zeitarbeitsfirma ließ mich gehen und ich bin dann mit meinen Chefinnen zur Leitung des Trägervereins, die meine Anstellung befürworten musste. 

Auch dort hast du wieder sofort gesagt, dass du positiv bist. 

Ja, alles andere wäre für mich nicht gegangen. Und auch da war es wieder kein Problem. Ich habe generell die Erfahrung gemacht, dass Menschen Offenheit im Umgang mit der Infektion respektieren und auch erwidern. Du kannst bestimmte Ängste ganz leicht abbauen, wenn du selber angstfrei mit dem Thema umgehst. 

Stephans Foto bei ICH WEISS WAS ICH TU

Und dann hast du es vor drei Wochen gleich dem gesamten Kollegium erklärt. 

Was eine wirklich schöne Erfahrung war! Wir haben eine Dienstversammlung einberufen, ich habe meine Flyer von ICH WEISS WAS ICH TU verteilt und dann erklärt, wie das mit mir ist. Die meisten Kollegen waren natürlich überrascht, aber einige hatten aus ihrem privaten Umfeld schon Erfahrung im Umgang mit Positiven und haben mir ein bisschen unter die Arme greifen können. ICH WEISS WAS ICH TU hat, glaube ich, geholfen. Die Kollegen haben daran sehen können, dass ich reflektiert mit dem Thema HIV umgehe und ihnen alle Fragen beantworte, die sie haben. 

Hat denn mal jemand gefragt: „Wie erklären wir das den Kindern oder den Eltern?“

Nein, die Kollegen sollten es wissen, die Kinder müssen das nicht. Falls es dazu kommen sollte, dass es Eltern mitbekommen und Fragen haben, hat sich schon mein Schwerpunktarzt angeboten, mit in den Hort zu kommen und dort in großer Runde Fragen zu beantworten. Außerdem kann ich dann auch auf ICH WEISS WAS ICH TU verweisen. Wir beantworten ja schon viele Fragen, die Eltern so haben könnten. 

(Interview: Paul Schulz) 

Filmbeitrag mit Stephan (2009) im Online-Dossier der Deutschen AIDS-Hilfe zum Thema „HIV und Arbeit“

Stephans Geschichte bei ICH WEISS WAS ICH TU 

IWWIT-Blogbeitrag zum Tag der Arbeit: AIDS-Hilfe fordert Integration

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