Seit seiner Jugend kämpft Kojobesia für die Rechte von Schwulen in Ghana. Inzwischen lebt er in Hamburg. Doch den Traum von einem Gay Community Center in Accra hat er nicht aufgegeben.
Es gibt Situationen, da muss ein Mann den ersten Stein werfen. Bei Kojobesia* war es 2002 so weit. Als der damals 19 Jahre alte Ghanaer die Wohnung seiner Eltern in Accra verließ, traf er eine Nachbarin. Die ließ wie jeden Tag eine spitze Bemerkung fallen. „Könntest du aufhören rumzustolzieren und dich wie ein normaler Mann benehmen?“, rief sie über den Innenhof. Alle konnten mithören. „Sonst wirst du nie eine Frau finden!“ Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. „Wie können Sie es wagen, so was zu sagen?“, schreit Kojobesia, greift sich einen Stein und wirft ihn auf seine Kritikerin. Er verfehlt sein Ziel, die Nachbarin schreit vor Entsetzen. Es folgen wüste Beschimpfungen, die Polizei kommt. Kojobesia muss auf die Wache.
Ein junger Mann explodiert – und ein Menschenrechtskämpfer wird geboren. „Das war mein erster Kampf“, erzählt Kojobesia 13 Jahre später in Hamburg. „Wenn irgendjemand in unserer Siedlung mich beleidigt hat, weil ich schwul bin, dann habe ich gekämpft“, sagt der heute 32-Jährige. „Geendet hat das meist auf dem Polizeirevier.“ Oft blieb es bei einem Verhör, aber Kojobesia hat auch schon in der Zelle übernachtet, bis seine Eltern die Kaution hinterlegt hatten. Die beiden halten zu ihm. „Sei, was du bist“, hat der Vater seinem Sohn eingeschärft. „Kümmere dich nicht drum, was andere Leute denken.“ Diese Haltung ist nicht selbstverständlich. Homosexualität ist in Ghana verboten, Höchststrafe: drei Jahre. Schwule und Lesben sind eine beliebte Zielscheibe, von politischen wie auch religiösen Führern. Das führt immer wieder zu Gewalt. Erst im Februar 2015 wurde ein bekannter schwuler Partyveranstalter in Accra zusammengeschlagen, als er zu einem vermeintlichen Date gehen wollte.
Trotzdem hat Ghana eine lebhafte schwule Subkultur. Die „Compounds“ genannten Wohnsiedlungen begünstigen nicht nur gehässige Nachbarinnen, sondern fördern auch die Gemeinschaft. „Schwule Partys finden bei uns auf der Straße statt“, erklärt Kojobesia. Schon eine Geburtstagsfeier reicht als Anlass, um den Durchgangsverkehr zu sperren. Dann schleppen die Leute Tische und Stühle nach draußen und drehen die Musik auf. „Einige Siedlungen sind als schwul bekannt“, erklärt Kojobesia. „Dort tanzen die Männer in aller Öffentlichkeit in High Heels und Schleier.“
Eigentlich findet das ganze Leben in Accra auf der Straße statt. Hier knüpfte auch Kojobesia seine ersten schwulen Kontakte. Mit dem Sex kam die Unabhängigkeit. Mit 17 hatte er seinen ersten Freund, einen deutlich älteren Europäer. „Mein Partner hat sogar die monatliche Schulgebühr übernommen“, berichtet Kojobesia. „Ich hatte immer Freunde, die mich versorgt haben. Und wenn das Geld nicht gereicht hat, bin ich einfach auf die Straße und habe mir einen anderen Mann gesucht.“ Er sei damals glücklich gewesen, versichert Kojobesia. „Wenn du Geld hast, bist du unabhängig. Du musst dich nicht kümmern, was andere Leute sagen oder was deine Familie von dir will.“
Über die Sexarbeit ist Kojobesia zur Menschenrechtsarbeit gekommen. Hiervon berichten wir in den nächsten Tagen.
*Name von der Redaktion geändert. „Kojobesia“ heißt in der ghanaischen Umgangssprache ein Mann, der – in den Augen der Mehrheitsgesellschaft – nicht besonders männlich wirkt.