Der bessere Karl

Wird in Berlin eine Straße nach dem "ersten Schwulen der Weltgeschichte" benannt? Jetzt unterschreiben!

Karl Heinrich Ulrichs war „der erste Schwule der Weltgeschichte“. Die Berliner Initiative „Eine Straße für Karl“ will ihm eine Straße im Homokiez widmen. Jetzt unterschreiben!

In Berlin haben es die Helden der modernen Geschichte posthum nicht leicht: Benennt man Straßen oder Plätze nach ihnen, befinden die sich oft an wenig beeindruckenden Orten. Außerdem sind die neu benannten Gedenkabschnitte oft verdammt kurz oder verdammt hässlich oder gleich beides.

Zwei unrühmliche Beispiele: Der „Marlene-Dietrich-Platz“ ist unwesentlich größer als ein Handtuch. Eingeklemmt zwischen McDonald’s, H&M und einem nach Kleinstadt miefenden Casino hat er es noch bei keiner Berlinale geschafft, so etwas wie Glamour zu entwickeln. Als im Februar Leonardo DiCaprio und Martin Scorsese darauf erschienen, sah es aus, als hätte man ihnen zu Ehren einen Parkplatz mit einem roten Teppich geschmückt.

Der berühmtesten Rockröhre der DDR, Silly-Frontfrau Tamara Danz, hat man 15 Jahre nach ihrem viel zu frühen Tod eine 150 Meter lange verkehrsberuhigte Zone neben der neuen O2-Arena an der Warschauer Straße zugewiesen, die so ungastlich ist, das man dort nicht einmal parken mag.

Die Initiative „Eine Straße für Karl“ möchte das besser machen. Betrieben wird sie von Dirk Siegfried von der „Arbeitsgemeinschaft schwuler Juristen“ und Gerhard Hofmann, Verleger und Urgestein der modernen Schwulenbewegung.  Unterstützt werden die beiden bei ihrem Vorhaben vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD), der Berliner Aidshilfe und anderen Organisationen.

Eine Straße haben die Initiatoren schon ausgesucht. Bisher heißt sie „Einemstraße“, nach Karl von Einem. Der hat als preußischer Kriegsminister 1907 die Vernichtung homosexueller Männer gefordert, 1931 öffentlich dem Nationalsozialismus gehuldigt und 1933 das Dritte Reich bejubelt. Als „Ehrung für sein Lebenswerk“ wurde unmittelbar nach seinem Tod 1934 die Straße nach ihm benannt.

Die „Einemstraße“ liegt heute wie damals mitten im Berliner Homokiez Schöneberg, wo eine „Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße“ hervorragend hinpassen würde. Denn Ulrichs war „der erste Schwule der Weltgeschichte“, wie es der Sexualforscher Volkmar Sigusch liebevoll formuliert.

Der 1825 geborene Ulrichs hat zwei Jahre nach seinem eigenen Coming-out 1867 auf dem Deutschen Juristentag die Abschaffung antihomosexueller Gesetze gefordert und ist damit der Stammvater der emanzipatorischen Bewegung in Europa. Seiner Zeit weit voraus und ganz allein auf weiter Flur, forderte er staatliche und soziale Anerkennung und die Öffnung der Ehe für Homosexuelle.

Der Jurist befasste sich außerdem wissenschaftlich mit der Homosexualität, die er als „Naturrätsel der mannmännlichen Liebe“ sah. Ulrichs veröffentlichte zwischen 1864 und 1879 zwölf Schriften zum Thema , die Sigusch als erste „moderne Theorie der Homosexualität“ bezeichnet. In diesen Texten prägte Ulrichs auch die Begriffe „Urning“ für den schwulen Mann und „Urninde“ für die Lesbe.

1880 floh Ulrichs ins italienische Exil, weil Homosexuelle in Preußen immer stärker verfolgt wurden. Er starb 1895 in L‘Aquila.

Heute ist Karl-Heinrich Ulrichs weltweit bekannt und anerkannt. In München, Bremen und Hannover hat man Plätze und eine Straße nach ihm benannt, in L´Aquila gibt es einen „Piazzale Karl Heinrich Ulrichs“ und die „International Lesbian and Gay Law Association“ verleiht seit 2002 alle drei Jahre den „Karl Award“ an Juristen, die sich um queere Rechte verdient gemacht haben. 

Da ist es allerhöchste Zeit, dass auch Berlin endlich eine „Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße“ bekommt. Und zwar genau dort, wo der Geehrte schon zur Kaiserzeit offen schwul ausgehen konnte.

Um dem Vorhaben Nachdruck zu verleihen, werden jetzt erstmal Unterschriften gesammelt. Unterschreiben kann man online, aber auch persönlich, zum Beispiel auf dem Lesbisch-schwulen Straßenfest in Schöneberg an diesem Wochenende.

(Paul Schulz)

Weitere Infos zur Initiative „Eine Straße für Karl“ / Online unterschreiben

Auch auf Facebook gibt es mehr Informationen zum Projekt und eine Fangruppe. Einfach „Karl Heinrich Ulrichs“ eingeben und beitreten

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