Die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland ist seit dem Jahr 2007 rückläufig. Im Jahr 2011 werden sich bis Jahresende 2.700 Menschen neu mit HIV infiziert haben, knapp 20% weniger als in den Jahren 2006/2007
Das hat heute das Robert-Koch-Institut (RKI) in seinem Epidemiologischen Bulletin und in einer Pressemitteilung bekannt gegeben.
Das RKI korrigiert damit bisherige Angaben, nach denen die Zahl der jährlichen Neuinfektionen in Deutschland in den letzten Jahren konstant bei rund 3.000 lag. Ein neues Berechnungsverfahren ermöglicht eine bessere Schätzung und macht den Rückgang der Neuinfektionen sichtbar.
„Zu den wichtigsten Ursachen für diese positive Entwicklung gehören die intensivierte Prävention und die zunehmend frühere Diagnose und Behandlung HIV-Infizierter, die dann weniger infektiös für ihre Sexualpartner sind“, erläuterte heute RKI-Präsident Reinhard Burger in Berlin.
Bei dem erstmals eingesetzten neuen Berechnungsverfahren geht es vor allem um die Frage, wie viele der gemeldeten positiven HIV-Tests Infektionen erfassen, die schon länger zurückliegen. Anhand aktueller Erkenntnisse über den Verlauf der HIV-Infektion lässt sich heute besser abschätzen als bisher, wann sich jemand infiziert hat. Der Krankheitsverlauf und medizinische Werte (vor allem die Zahl der CD4-Zellen im Blut) liefern Hinweise, wie lange die HIV-Infektion bereits ungefähr besteht. Entsprechende Daten liegen zwar nur für einen Teil der gemeldeten HIV-Diagnosen vor, sie können aber auf die Gesamtheit hochgerechnet werden.
Daraus resultiert eine neue Schätzung, wie viele Menschen sich in den vergangenen Jahren jeweils infiziert haben. Die Zahl der Neuinfektionen stieg demnach seit 2001 an, erreichte 2006 mit rund 3.400 Infektionen einen Höhepunkt und sinkt seitdem kontinuierlich. In der am stärksten betroffenen Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben MSM, gehen die Neuinfektionen besonders deutlich zurück.
Auf MSM entfallen nach den neuen Schätzungen im Jahr 2011 rund 1.500 Neuinfektionen (56%). Rund 820 Neuinfektionen (30%) gehen auf heterosexuelle Kontakte zurück, etwa 360 (13%) auf intravenösen Drogenkonsum. Die Übertragung von Müttern auf ihre Kinder während der Geburt kommt in Deutschland dank der HIV-Medikamente kaum noch vor: Weniger als 10 Fälle gab es im laufenden Jahr.
Betrachtet man nicht die Zahl der geschätzten Neuinfektionen, sondern die Zahl der gemeldeten Neudiagnosen, fällt eines auf: Ein immer höherer Anteil der positiven HIV-Tests erfolgt erst, wenn die Infektion schon lange besteht und der optimale Zeitpunkt zum Therapiebeginn bereits verpasst ist. Das klingt wie eine schlechte Nachricht, ist aber in Wirklichkeit eine gute: Zum einen steigt der Anteil der so genannten Spätdiagnosen, weil es deutlich weniger frische HIV-Infektionen gibt. Vor allem aber werden immer mehr HIV-Infektionen, die schon länger bestehen, endlich diagnostiziert.
Dem liegt eine weitere positive Entwicklung zugrunde: Vor allem schwule Männer lassen sich häufiger testen als früher, weil sie wissen, dass es heute effektive Behandlungsmöglichkeiten gibt. Die Deutsche AIDS-Hilfe hat in der Prävention in den letzten Jahren verstärkt auf den Nutzen eines rechtzeitigen HIV-Tests hingewiesen.
Neben den erfreulichen Nachrichten enthält der RKI-Bericht auch einen Wermutstropfen: Die Zahl der Syphilis-Diagnosen in Deutschland steigt. Da die Syphilis die Übertragungswahrscheinlichkeit von HIV erhöht, könnte dies den Erfolg bei den HIV-Neuinfektionen wieder gefährden. Das RKI empfiehlt darum, in der HIV-Prävention noch mehr über Syphilis und andere sexuell übertragbare Infektionen aufzuklären.
Insgesamt leben in Deutschland nach der neuen Schätzung des RKI jetzt 73.000 Menschen mit HIV. 14.000 (rund 20%) wissen noch nichts von ihrer Infektion. Von denen, die ihren HIV-Status kennen, nehmen 80 % antiretrovirale Medikamente – so viele wie nie zuvor. Im Jahr 2011 gab es in Deutschland rund 500 Todesfälle, die in Verbindung mit einer HIV-Infektion standen.
Holger Wicht
Pressemitteilung des Robert-Koch-Instituts
Pressemeldung der Deutschen AIDS-Hilfe