Bis zum „Tag gegen Homophobie“ am 17. Mai stellen wir euch hier im Blog Menschen, Projekte und Aktionen vor, die sich gegen Homophobie engagieren. Wir sprechen mit ihnen und lassen uns ihre Geschichten erzählen. Die sind unterschiedlich, bunt und spannend und zeigen, was für vielfältige Gesichter dieses Engagement haben kann.
Teil 1: „Wir wollten aufregen und provozieren“
Die Rostocker Kampagne „Homophobie, nein danke“
Tine, Andy, Hannes und Jörgen sind die Initiatoren dieser Rostocker Kampagne. Ende letzten Jahres haben sie den Entschluss gefasst, sich gegen Homophobie in ihrer Stadt zu engagieren. Dies tun sie ehrenamtlich und finanzieren sich allein durch Spenden und Sponsoring. Das Ergebnis kann man nun seit März auf Postkarten und auf Facebook sehen. Wie es zur Kampagne kam, wie die Reaktionen waren und was sie für die Zukunft planen erfahrt ihr hier im Interview.
Habt ihr selbst schon homophobe Erfahrungen gemacht?
Jeder von uns. Oft war es nicht offene Abneigung, sondern das Tuscheln hinter vorgehaltener Hand oder Abweisung von Arbeitskollegen oder von Kommilitonen an der Uni. Ein weiterer Punkt ist, dass die Rostocker Szenekneipen immer wieder homophoben Angriffen ausgesetzt sind, sei es durch Beschmutzungen oder mutwillige Beschädigungen. Aber das beschränkt sich nicht auf Rostock, sondern ist ein internationales Problem.
So eine Aktion verlangt sicher einiges an Engagement. Wie genau kam es dazu?
Die Idee zur Kampagne wurde im Rahmen der Mottofindung des CSD Rostock 2012 geboren. Das Motto lautet „Wo kein Wissen ist, wachsen Vorurteile.“ Wir haben uns zu einer kleineren Gruppe zusammengeschlossen und überlegt, wie wir das Thema Homophobie aufgreifen könnten. Inspiriert durch „Mir reicht´s!“ von ICH WEISS WAS ICH TU haben wir uns für ein ähnlich drastisches Auftreten mit provokanten Motiven entschieden.
Eure Bilder zeigen Frauen und Männer mit Blut und Wunden im Gesicht. Darunter steht der Satz „Homophobie kann tödlich sein“, was an die Warnhinweise bei Zigarettenwerbung erinnert. Wie kam euch diese Idee?
Wir wollten uns durch die reißerischen Sprüche von anderen unterscheiden, auch von ICH WEISS WAS ICH TU. Und wir wollten aufregen und provozieren. Die Kampagne soll jeden erreichen, dabei haben wir aber bewusst Raum gelassen, die Motive in verschiedene Richtungen zu deuten.
Und welche Reaktionen habt ihr bekommen?
Sowohl positive als auch negative, wobei die zum Teil sehr kontrovers sind. Interessant ist, dass in den Köpfen mancher Betrachter offen bleibt, ob Täter oder Opfer abgebildet sind – das wurde uns zum Teil erst durch die Kommentare klar. Negativ angemerkt wurde, dass die Kampagne unverständlich sei oder die Motive zu künstlich aussähen. Viele Leute haben sich dafür bedankt, dass Homophobie endlich derart drastisch und offen thematisiert wird.
Momentan seid ihr besonders auf Facebook präsent. Was plant ihr für die nächsten Monate mit eurer Aktion?
Sponsoren rankriegen! Die Kampagne soll über ein Jahr als Postkartenmotiv laufen, das ist aber nur möglich, wenn wir Sponsoren dafür begeistern können, uns zu unterstützen. Deswegen gehen wir aktiv auf Unternehmen zu. In Gesprächen greifen wir verstärkt den Diversity-Gedanken auf, welcher zurzeit in immer mehr Firmen von Bedeutung ist und nachweislich Produktivität und den Teamgedanken in einem Unternehmen steigert. Im Moment laufen außerdem Plakataktionen in der näheren Umgebung, um auf uns und die Kampagne aufmerksam zu machen.
Wann hätte sich für euch das Thema Homophobie erledigt? Was müsste für euch geschehen, dass ihr sagt „Okay, wir haben unser Ziel erreicht. Unsere Kampagne braucht es nicht mehr“?
Unser Ziel ist in erster Linie, auf die immer noch in den Köpfen vorhandene Homophobie aufmerksam zu machen. Menschen sind immer wieder homophob, ohne sich dessen bewusst zu sein. Uns ist wichtig, Sie sie zu sensibilisieren und ihnen ihre Handlungen bewusst zu machen. Einen absehbaren Zeitpunkt, an dem die Kampagne nicht mehr notwendig wäre, gibt es für uns im Moment nicht. Homophobie aus den Köpfen aller Menschen zu bekommen, ist sehr schwer zu erreichen. Wir sind aber überzeugt, dass kleine Schritte auf dem Weg für uns erreichbar und umsetzbar sind.
Interview: Tim Schomann