Bis zum „Tag gegen Homophobie“ am 17. Mai stellen wir euch hier im Blog Menschen, Projekte und Aktionen vor, die sich gegen Homophobie engagieren. Wir sprechen mit ihnen und lassen uns ihre Geschichten erzählen. Die sind unterschiedlich, bunt und spannend und zeigen, was für vielfältige Gesichter dieses Engagement haben kann.
Teil 2: „Schwule sind im Medien-Mainstream angekommen“
Wie Homosexualität heute in TV und Presse dargestellt wird
Martin Munz (37) arbeitet im Team Recherche für das NDR-Fernsehen und ist Mitglied im Bundesvorstand des Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen (BLSJ). Im Interview mitPhilip Eickerspricht er über das Bild von Schwulen und Lesben in den Medien, weshalb sein Verband gegen eine Titelgeschichte der FAZ protestiert hat und wieso er noch immer auf das Portrait einer lesbischen Kanzlerkandidatin wartet.
Martin, wann hast du zuletzt einen Schwulen im Fernsehen gesehen?
In „Verbotene Liebe“. Ich muss gestehen, dass mich ein schwuler Plot immer noch packt, selbst bei einer an den Haaren herbeigezogenen Soap Opera. Offenbar gibt es solche Sendungen noch nicht so inflationär, dass ich einfach abschalten kann.
Wie kommen Schwule in den Abendnachrichten weg?
Da spielt Homosexualität derzeit kaum eine Rolle, weder im Positiven noch im Negativen. Das einzige nachrichtenrelevante Thema ist zurzeit die steuerrechtliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Hetero-Ehe. Die kommt in den Abendnachrichten aber allenfalls als Meldung vor. Tageszeitungen behandeln das Thema meines Wissens nach sehr ausgewogen. Mal abgesehen davon, dass in einer Überschrift der FAZ nur von „Schwulenehe“ die Rede war, obwohl die Regelung auch lesbische Paare betrifft.
Welches Schwulenbild entsteht so bei einem durchschnittlichen deutschen Fernsehzuschauer?
Schwule sind – im Großen und Ganzen – im Medien-Mainstream angekommen: In den meisten Beiträgen wird ihr Normalsein betont; meist in Verbindung mit der Botschaft, dass diese freundlichen, netten Männer in einigen Punkten noch immer benachteiligt werden. Das ist einerseits eine große Errungenschaft der Schwulen- und Lesbenbewegung. Allerdings entstehen so – häufig ungewollt – wieder neue Klischees. Die wichtigen Themen fallen zu häufig unter den Tisch. Wenn Schwule und Lesben vorkommen, ist ihre Homosexualität oft ein wesentlicher Teil der Geschichte. Der Umstand, dass ein Mensch homosexuell ist, reicht heutzutage noch für eine Story, sei es der heteronormativ angepasste Regenbogenfamilienvater oder der exotische Künstler.
Und das ist kritikwürdig?
Sagen wir es so: Es wäre doch besser, wenn ein Mensch nicht deshalb porträtiert wird, weil er homosexuell ist, sondern weil er beruflich interessant ist oder sich sozial engagiert. Dann reicht es doch, wenn in einem Nebensatz eingeflochten wird, dass die Frau verpartnert ist oder dass der Mann seit vielen Jahren mit seinem Partner zusammenlebt. So wie das bei Heterosexuellen schon der Fall ist. Kaum ein Hetero-Porträt ohne Hinweis auf den Familienstand! Bei Homosexuellen tun sich viele Journalistinnen und Journalisten dagegen schwer. Vielleicht weil sie befürchten, die eigentliche Geschichte würde durch diese Information überlagert. Oder weil ihnen die Nachfrage zu intim scheint.
Wo genau zieht ihr die Grenze: Was ist Homophobie, und was ist das normale Maß an Häme, das eine öffentliche Person ertragen muss?
Häme wegen seines Privatlebens sollte eigentlich keiner ertragen müssen – es sei denn er oder sie hat Wasser gepredigt und Wein gesoffen. Trotzdem gibt es natürlich immer wieder diskriminierende Formulierungen in den Medien. In der Bewertung achten wir darauf, ob eine abfällige Bemerkung bewusst geschieht oder nur aus Ahnungslosigkeit. Wir prüfen: Ist eine ablehnende Haltung klar zu erkennen?
Kannst du dafür ein Beispiel geben?
Unser schärfster Protest seit Monaten ging gegen einen Artikel auf der Titelseite der FAZ. Da ging es um einen Untersuchungsbericht über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in Holland. Der Autor hat eine Formulierung aus dem Bericht einfach übernommen: Eine „homosexuelle Subkultur“ sei „ein entscheidender Faktor für Übergriffigkeit“. Das ist eindeutig homophob, weil es in mittelalterlicher Manier Homosexualität und Pädophilie in einen Zusammenhang stellt. Eine schwule Subkultur fördert nicht per se sexuellen Missbrauch. Das mag aus der Sicht der katholischen Kirche so sein, aber auf der Titelseite der FAZ ist so eine Aussage ein schwerer Fauxpas. Er spricht für tiefsitzende Homophobie. Oder ist die heterosexuelle Subkultur in der Kirche dafür verantwortlich, wenn sich Priester an kleinen Mädchen vergehen?
Wenn so etwas passiert, schreibt der BLSJ einen Protestbrief?
Ja, wir machen die auf ihren Mist aufmerksam. Wobei wir in einer Zwickmühle sind: Unsere heterosexuellen Kolleginnen und Kollegen schreiben oft Unfug. Aber unser Protest soll nicht dazu führen, dass sie von schwul-lesbischen Themen generell die Finger lassen. Wir bieten deshalb unseren Rat an, wenn es Unsicherheit gibt, zum Beispiel bei Begriffen oder bei der Frage: Darf man das überhaupt sagen? Ein Beispiel: Vielen Heterosexuellen ist nicht klar, dass „homosexuell“ Frauen und Männer meint. Die meisten verwenden „homosexuell“ und „schwul“ synonym. Das führt zu Ausdrücken wie „Homosexuelle und Lesben …“. Da leisten wir freundliche Aufklärungsarbeit für die Unbedarften.
Und auf welche Fehler reagiert ihr weniger freundlich?
Zum Beispiel wenn in Artikeln Begriffe wie „Homosexuellenmilieu“ auftauchen. Das hat aus unserer Sicht einen klar diskriminierenden Unterton. Kein Mensch käme auf die Idee, von einem Mord „im Heteromilieu“ zu sprechen, nur weil ein Mann und eine Frau beteiligt waren. Milieu ist zwar ein soziologischer Begriff, aber von einer differenzierten soziologischen Betrachtung sind die Artikel meilenweit entfernt. Da geht es darum, mit dem Wort „Milieu“ etwas Halbseidenes zu unterstellen. Dabei kann mit „Homosexuellenmilieu“ von der Langen Reihe in Hamburg bis zu Guido Westerwelles Auswärtigem Amt alles gemeint sein, sofern sich dort Schwule aufhalten.
Auf welchen Medienbericht hast du bisher vergeblich gewartet?
Auf das Porträt der Kanzlerkandidatin, in dem es ausführlich um ihre politischen Inhalte geht und nur am Rande erwähnt wird, dass sie seit vielen Jahren glücklich mit ihrer Partnerin zusammenlebt.
Interview: Philip Eicker