Jetzt auf DVD: „The Perfect Son“ erzählt eine wunderbare Geschichte über zwei Brüder – der eine HIV-positiv, der andere nicht
Theo fängt mit 30 nochmal ganz von vorn an: Eigentlich wollte er Schriftsteller werden, hat aber stattdessen in den letzten zehn Jahren eine beachtliche Junkie-Karriere hinter sich gebracht. Gerade frisch aus der vierten Entzugsklinik entlassen, beschließt er nun ein weiteres Mal, sein Leben zu ändern.
Und dieses Mal könnte es klappen. Denn das erste, was Theo jetzt tun muss, ist zur Beerdigung seines Vaters zu gehen und dessen „perfekten Sohn“ wieder zu treffen: seinen Bruder Ryan. Der ist ein immer gut gekleideter, erfolgreicher Anwalt und mag Theo nicht besonders – was auf Gegenseitigkeit beruht.
Aber die beiden überraschen einander, während sie Papa unter die Erde bringen. Theo erfährt auf Umwegen, das hinter Ryans gut zugeknöpfter Brust das Herz eines schwulen Mannes schlägt – und das eines HIV-Positiven. Er lernt, dass es „perfekt“ nicht gibt und dass man aufhört, Menschen zu verurteilen, kennt man sie erst einmal richtig.
Ryan begreift im Gegenzug, dass sein Bruder vielleicht doch ein anständiger Mensch ist und bittet seinen Bruder, ihm bei etwas zu helfen, das er nicht alleine kann und das ihre Beziehung zueinander völlig verändert.
Leonard Farlingers „The Perfect Son“ ist ein großartiger kleiner Film, der die üblichen banalen Funktionsweisen einer klassisch cineastischen Familiengeschichte weit hinter sich lässt.
Von der persönlichen Entwicklung eines Menschen durch seine HIV-Infektion haben schon viele Filme erzählt. Aber wie Regisseur und Drehbuchautor Leonard Farlinger Ryans Aids-Erkrankung dazu benutzt, um seine Hauptfigur Theo zu Erkenntnissen über sich und seine Familie anzuregen, ist so schlau eingefädelt, wie man es noch nie gesehen hat.
Sein Bruder Ryan ist eine der stimmigsten schwulen Kino-Figuren der letzten Zeit und beide Hauptdarsteller verstehen es, das ungleiche Brüderpaar mit der nötigen Seele zu füllen, um die Konflikte und das überraschende Finale glaubhaft zu machen.
Die kanadische Fernsehproduktion war bislang in Deutschland nicht im Kino oder Fernsehen zu sehen, erscheint aber heute auf DVD. Ein Film der die Anschaffung lohnt, weil man ihn sich auch gern ein zweites oder drittes Mal ansehen wird.
(Paul Schulz)
„The Perfect Son“, Kanada 2001, Regie: Leonard Farlinger, mit Colm Feore, David Cubitt, Chandra West u.a., cmv-laservision (OmU)