„Ich will mit meinen Leistungen überzeugen und nicht mit der Art, wie ich aussehe.“ – Im Gespräch mit Mr. Gay Germany 2016

Tony ist frisch gewählter Mr. Gay Germany 2016. Wer sich jetzt denkt, bei der Wahl rannten die Teilnehmer nur in knappen Badehosen rum, ist auf dem Holzweg. Bei dem Wettbewerb – bei dem ICH WEISS WAS ICH TU erstmals mit in der Jury saß – geht’s um Inhalte.

Tony ist frisch gewählter Mr. Gay Germany 2016. Wer sich jetzt denkt, bei der Wahl rannten die Teilnehmer nur in knappen Badehosen rum, ist auf dem Holzweg. Bei dem Wettbewerb – bei dem ICH WEISS WAS ICH TU erstmals mit in der Jury saß – geht’s um Inhalte. Zwischen Interviewanfragen unter anderem aus Neuseeland, Australien und den USA fand Tony Zeit, mit uns über die Wahl, seine Erfahrungen in der Community und seine Wünsche zu sprechen.

“Schwul, schön und schwerhörig” war eine Headline in den Medien zu deiner Wahl. Was denkst du dir, wenn du solche klischeehaften Überschriften liest?

Das ist doch sehr kreativ: Dreimal wurde ich mit den Anfangsbuchenstaben „sch“ beschrieben. (lacht). Ach, die Medien müssen doch irgendwie auffallen mit ihren Storys, dann gibt’s halt auch mal eine solche Überschrift. Das ärgert mich nicht.  Meine Höreinschränkung ist ja kein Geheimnis, ich bin da nicht verklemmt. Und dass ich schwul bin, ist wohl so, wenn man zum Mr. Gay Germany gewählt wird. Und zu dem anderen „sch“ sag ich jetzt besser nichts mehr und freu mich einfach.

Wie waren die ersten Tage nach deiner Wahl zum Mr. Gay Germany?

In der ersten Nacht konnte ich vor lauter Aufregung gar nicht schlafen. Da dachte ich mir echt „Shit, was mach ich denn jetzt?“ Klar hab ich mich gefreut, aber auch gefragt, was alles auf mich zukommt, denn ich hab ja jetzt eine Vorbildfunktion.

Nach der Wahl gab’s an dem Sonntag ein Foto-Shooting für das Männer -Magazin und am Montag drauf hab ich fünf Interviews gegeben. Ich bin zu Vernissagen eingeladen, war als Zuschauer bei der Mr. Germany-Wahl und bin echt viel unterwegs.

Wie waren die Reaktionen auf deine Wahl?

Nach der Wahl habe ich erst einmal meine Oma angerufen. Meine Eltern haben ja schon geschlafen. (lacht). Meine ganze Familie ist superstolz auf mich. Und in der Schule und bei den Handballkumpels gratulierten mir auch alle und wollten ein Selfie machen. Sogar eine ehemalige Lehrerin sagte, dass sie stolz auf mich sei.

Was heißt es für dich, „Mr. Gay Germany“ zu sein? Was verfolgst du mit dem Titel?

Erstmal ist es eine Ehre für mich diesen Titel zu tragen. Als Mr. Gay Germany sehe ich mich als Botschafter für die Gay-Community, die ja aus vielen verschiedenen Szenen besteht. Dennoch haben diese Szenen etwas, was sie verbindet: das Ziel nach Gleichberechtigung. Dafür will ich als Sprachrohr in der Öffentlichkeit einstehen und zum Beispiel für die Ehe für alle oder für Vielfalt in der Schule werben.

Um Mr. Gay Germany zu werden, musstest du eine Kampagne entwickeln. Erzähl uns davon.

Meine Kampagne heißt „New Tomorrow“ und setzt sich gegen Homophobie ein. Ich habe selbst Homophobie erfahren und wurde in meiner alten Schule gemobbt und auch verprügelt. Mit „New Tomorrow“ will ich, dass die Mobber über ihre eigenen Taten nachdenken. Und denen, die Homophobie erlebt haben, will ich etwas von meiner gewonnenen Stärke abgeben und ihnen zeigen, wie auch sie ihren Weg gehen können. Damit wir uns in der Zukunft nicht mehr verstecken müssen und es eben ein „neues Morgen“ gibt. Als Mr. Gay Germany kann ich diese Kampagne jetzt weiterentwickeln und darauf freue ich mich.

Hand auf’s Herz: Welche Vorteile hast du aufgrund deines Aussehens?

In den Clubs merke ich schon, dass mich die Leute angucken. Da frage ich mich aber auch, weswegen die gucken: Sehen die die Hörgeräte? Finden die es lustig, wie ich tanze oder was …

Und bei den Datingportalen krieg ich auch öfters Messages. Aber ganz oft werde ich da nur auf das Aussehen reduziert. Da ist die erste Message gleich „Willste ficken?“ und das kotzt mich an. Deswegen hab ich auch mal meine Profile gelöscht. Da macht Schönheit irgendwie blind. Die sehen dann nicht mehr mich, Tony, sondern nur die äußere Hülle und interessieren sich nicht für mich als Person.

Was ich echt cool find, sind Typen, die auf der Schönheitsskala vielleicht nicht ganz oben stehen, aber selbstbewusst zu sich stehen. Wenn sie sich dann für mich interessieren und mich kennenlernen wollen, gewinnen die total an Ausstrahlung und das macht letztlich attraktiv.

Wenn du mit Jungs flirtest oder in Kontakt kommst, ist deine Hör-Beeinträchtigung da ein Thema?

Im Netz ist das kein Thema. Erst wenn man länger schreibt kommen Fragen und oft krieg ich dann die Reaktion „Cool, dass du so offen damit umgehst“. Im echten Leben kam es aber öfters vor, dass jemand sagte „Kannst du nicht vernünftig sprechen?“

Ich muss auch sagen, dass durch mein Handicap andere Sinne irgendwie stärker ausgeprägt sind. Ich spüre schon, wenn da jemand eher „anti“ oder „aggro“ ist.  Wenn so einer auf mich zukommt, bin ich schon vorsichtiger und zurückhaltender.

Hast du selbst Vorurteile und wie gehst du damit um?

Ich glaube, jeder Mensch hat Vorurteile. Auch ich. Wenn ich mit Freunden feiere, dann konzentriere ich mich auf die. Wenn da aber jemand ist, der sich total auffällig verhält oder ein ganz krasses Outfit hat, frag ich mich „Was geht denn da ab? Was ist denn mit dem los?“ Aber meistens behalte ich das für mich. Und ja, auch ich lästere mal, aber nicht so viel, weil ich selbst die Erfahrung gemacht habe und weiß, wie sich das anfühlt, wenn über einen mies geredet wird.

Was bedeutet es für dich, ein Vorbild zu sein?

Ich will vor allem als das gesehen werden, was ich bin: ein schwuler Mann, der nicht perfekt ist und auch schon schlechte Erfahrungen hat machen müssen. Und trotzdem bin ich meinen Weg gegangen und jetzt sogar zum Mr. Gay Germany gewählt worden. Die Community soll mich als Vorbild sehen, um Mut zu bekommen, zu sich selbst zu stehen. Ich will mit meinen Leistungen überzeugen und nicht mit der Art, wie ich aussehe.

„Ich wünsche mir Weltfrieden und …“ – Was ist dein Wunsch an die Community?

Bei der Frage fällt mir sofort John Lennon und „Imagine“ ein. Jeder von uns sollte versuchen, wenigstens ein wenig davon in die Community zu tragen. Muss ich gleich jemanden beleidigen? Muss ich andere gleich schlecht reden, nur weil mir die Klamotte nicht passt oder die schiefe Nase? Akzeptanz ist das Wichtigste. Wenn wir alle ein wenig mehr akzeptierend sind, dann sind wir auf einen guten Weg.

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Als Mr. Gay Germany sieht Tony sich als Botschafter für die Gay-Community, die ja aus vielen verschiedenen Szenen besteht.
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