In seinem Liebedrama „Kater“ erzählt der Österreicher Händl Klaus von einem schwulen Paar und ihrem verlorenen Paradies, das sie sich langsam wiederzugewinnen versuchen.
Es gibt in diesem Film einen winzigen Moment, der alles, was bis dahin an Liebes- und Beziehungsglück im Leben dieses Männerpaares zu sehen war, komplett in Frage stellt. Wenige Sekunden, die jeden Zuschauer aufschrecken lassen und die nicht mehr aus dem Kopf zu bekommen sind. Schon gar nicht für Stefan und Andreas, deren Zusammensein nun komplett in Frage gestellt ist.
Eine harmonische, zärtliche Beziehung?
Es fällt schwer, über den Spielfilm „Kater“ zu schreiben, ohne diesen entscheidenden Augenblick zu schildern oder ihn wenigstens erwähnen. Doch Spoilern möchte man hier ganz besonders vermeiden. Denn dieser Moment muss die Zuschauer ebenso überraschen, wie diese beiden Männer. Bis dahin hat der Filmemacher Händl Klaus (er nennt sich tatsächlich so) sehr ausführlich das Idyll ausgemalt, in dem sich Stefan und Andreas eingerichtet haben. Sie beide arbeiten in einem Orchester, leben in einen alten, geschmackvoll eingerichteten Haus am Rande Wiens haben einen großen Freundeskreis und eine harmonische, zärtliche Beziehung. Und selbst nach so vielen gemeinsamen Jahren verhalten sie sich wie frisch verliebte Männer und fallen auch mal ganz spontan einfach über einander her.
Dass die beiden Hauptdarsteller auch einige sehr sinnliche Nacktszenen zu absolvieren hatten, war bei der Besetzung übrigens ein überraschendes Problem „Sie können sich nicht vorstellen, wie schamhaft die meisten Schauspieler sind. Als hätten die alle kein Geschlecht“, wunderte sich Filmemacher Händl Klaus in einem Interview. „Es war eine ewige Suche, bis ich endlich dieses Paar hatte. Die beiden müssen ja vor allem auch emotional unerschrocken sein und wirklich gut spielen können. Und die berühmte Chemie musste stimmen. Das war dann zwischen Lukas und Philipp der Fall.“
Eine Art Versuchsanordnung
Gemeint sind damit die beiden theatererfahrenen Schauspieler Lukas Turtur und Philipp Hochmair; Letzterer ist vor allem durch sein Rolle als schwuler Minister in der TV-Serie „Vorstadtweiber“ einem breitem Publikum bekannt. Ihnen gelingt es, diese große Liebe zueinander, die erotische Spannung und tief empfundene Nähe mehr als glaubhaft zu machen. Die Bindung und das Vertrauen der beiden Männer ineinander, erscheinen als so fundamental, dass sie nichts in Wanken bringen könnte. Doch dann geschieht dieser kurze Moment.
Wenn man so will, kann man „Kater“, der Film-Zweitling des vor allem als Dramatiker bekannten Händl Klaus als eine Art Versuchsanordnung sehen: Wie viel vermag eine Liebe auszuhalten? Kann man einen Menschen, den man von Herzen liebt, jemals ganz und gar kennen? Und wie gut kennt man sich eigentlich selbst? Schlummert vielleicht in jedem das Potential zu einem plötzlichen, unkontrollierten Gewaltausbruch? (Okay, ein bisschen ist nun doch verraten.)
Brüchig gewordene Liebe
War bis zur Filmmitte das Männerpaar zu sehen, wie sie sich gegenseitig den Himmel auf Erden bereiten, erlebt der Zuschauer nun, wie eine schier unüberwindbare Distanz zwischen ihnen entstanden ist. Händl Klaus schildert auch diesen Prozess – die brüchig gewordene Liebe zu retten und verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen – sehr detailgenau, mit wohlüberlegten Gesten und in berührenden Szenen. Was er aber nicht tut: das, was in diesem entscheidenden Moment geschehen ist, rational zu erklären. Es gibt Vermutungen, Hinweise und Andeutungen, aber keine abschließende Lösung. Das kann man feige, schlampig oder wahlweise auch enttäuschend finden.
Oder auch nur konsequent, wenn man „Kater“ eben als Planspiel versteht. Bei den Berliner Filmfestspielen wurde „Kater“ als bester queerer Spielfilm mit dem Teddy Award ausgezeichnet. Mittlerweile kam auch noch der Preis der Jury des Hong Kong International Film Festival hinzu.
„Kater“. Österreich 2016. Regie und Buch Händl Klaus. Mit Philipp Hochmair, Lukas Turtur, Thomas Stipsits, Manuel Rubey, Gerals Votava, Gabriela Hegendüs. 114 min. Kinostart: 24. November.
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