„Gute Voraussetzungen für eine geile Nummer“

Ric Schachtebeck hat schon immer intensiv gelebt: in den 70er-Jahren ging er von Berlin nach New York, danach folgte Amsterdam und schließlich – wieder zurück in der Heimat – wurde Ric zum Aids-Aktivisten. Für eine Präventionskampagne der Deutschen AIDS-Hilfe ließ er sich Mitte der 1980er-Jahre für ein Plakat ablichten, das über Jahre in- und außerhalb der Gay-Community zum Inbegriff des Safer-Sex-Bewusstseins wurde. Doch auch heute ist der mittlerweile 63-Jährige kein bisschen leiser geworden.

Ric Schachtebeck hat schon immer intensiv gelebt: in den 70er-Jahren ging er von Berlin nach New York, danach folgte Amsterdam und schließlich – wieder zurück in der Heimat – wurde Ric zum Aids-Aktivisten. Für eine Präventionskampagne der Deutschen AIDS-Hilfe ließ er sich Mitte der 1980er-Jahre für ein Plakat ablichten, das über Jahre in- und außerhalb der Gay-Community zum Inbegriff des Safer-Sex-Bewusstseins wurde. Doch auch heute ist der mittlerweile 63-Jährige kein bisschen leiser geworden.

Ric, wie hast Du den Beginn der Aids-Krise erlebt?
Das war 1983, als ich in Amsterdam lebte. Amerikanische Freunde erzählten mir von einer tödlichen „Schwulen-Krankheit“, die man in den USA entdeckt hatte. Anfangs hielt ich das für ein absurdes Gerücht, doch als die Zahl der Toten stieg, bekam ich Angst. Fast beängstigender jedoch als die Krankheit selbst, waren die klischeebeladenen, homophoben Äußerungen von Politikern und Medizinern. Sie machten unwiderruflich deutlich, wie wackelig unsere gerade erst erkämpften Rechte und sexuellen Freiheiten waren und wie tief nach wie vor die Vorurteile saßen. In den USA und Holland bildeten sich daraufhin auch gleich Selbsthilfegruppen mit eigenen Publikationen.

Du kamst 1984 wieder zurück nach Berlin. Wurde die Aids-Debatte hier genauso geführt wie in den USA oder in Amsterdam?
Nein, gar nicht. Während ein Großteil der New Yorker und Amsterdamer Schwulen schon angefangen hatte, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und sich zu organisieren, lebte man in Berlin noch nach der Devise: wenn du mit keinem Ami ins Bett gehst, dann kannst du dich auch nicht infizieren. Das war unglaublich naiv, gefährlich und ignorant und machte deutlich, wie panisch und hilflos die Leute waren und vor allem, wie passiv sie der Situation gegenüber standen. Ich fühlte mich damals sicherer und besser aufgehoben in New York, wo die Menschen über AIDS informiert und teilweise auch schon betroffen waren. Deshalb hielt ich von Anfang an engen Kontakt mit dem Gay Men´s Health Center und als man dort zu „Safe Sex“ aufrief, habe ich nur noch mit Gummi gefickt. In Berlin war ich anfangs einer von wenigen und musste mich oft meinen Sex-Buddies gegenüber rechtfertigen; denn viele fanden meine Haltung damals noch hysterisch und übertrieben. Mit den ersten sichtbar Infizierten und AIDS-Toten änderte sich das.

1986 hast Du für ein Safer Sex-Plakat der Deutschen AIDS-Hilfe posiert. Wie kam es dazu?
Ich hatte mit einer Gruppe zusammen gearbeitet, aus der die Berliner AIDS-Hilfe hervorgegangen ist und war auch sonst ziemlich präsent in der Szene. Und als Detlev Pusch im Auftrag der Deutschen AIDS-Hilfe mehrere Motive für eine eigene Poster-Reihe fotografierten sollte, fragte er mich, ob ich für eines posieren würde. Da hab ich natürlich sofort ja gesagt.

Und dann wurdest du ein wenig zu einem Star, oder? Das Plakat wurde überall aufgehängt, in New York gab es sogar eine Party
Naja. (lacht). Das Poster war schon sehr erfolgreich, weil es die unterschiedlichsten Menschen ansprach und auch in der Presse oft benutzt wurde. Und ja, es stimmt: eine Zeitlang konnte ich gar nicht aus dem Haus gehen, egal in welcher Stadt, ohne auf das Plakat angesprochen zu werden. Ich landete dann meist in einem Präventions-Gespräch über Safer Sex. Das war Teil der Aktion und hat auch mir geholfen mit dem Thema klar zu kommen. Die Message: „Man kann das Virus stoppen. Ich benutze Kondome“ bekam für meine Gesprächspartner ein persönliches Gesicht und für einige wurde ich sicher auch zu einer Art Vorbild. Selbst heute noch gibt es immer wieder Leute, die sich an das Poster erinnern können und mich darauf ansprechen. Und in New York hing das Plakat im Gay Men´s Health Center, und als ich wieder einmal dort war, waren einige der Mitarbeiter sehr stolz auf mich und haben eine kleine Party geschmissen. 

Würdest du sagen, dass dein Sex durch die Aids-Thematik anders wurde?
Selbstverständlich. Den Kopf beim Sex einzuschalten ist blöd und an Kondome, die ja eher für Heteros erfunden wurden, musste man sich natürlich erst gewöhnen. Ich finde, man sollte sich Safer Sex nicht schön reden, wie das anfangs noch versucht wurde, sondern ihn als zeitbedingte Tatsache akzeptieren und praktizieren und in sein Sex-Leben integrieren. Was ich am Safer Sex allerdings wirklich mag ist der Gestus: denn mit dem Gebrauch von Kondomen signalisiert man gegenseitige Achtung und Verantwortung. Das allein schafft ja schon eine Atmosphäre von Intimität und Vertrauen: gute Voraussetzungen also für eine geile Nummer!

Was hat sich seit den 80er-Jahren deiner Meinung nach verändert und was beschäftigt dich heute, wenn du an HIV und Aids denkst?
Mittlerweile ist ja wohl allen klar geworden, dass Kondome vor HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten schützen. Gerade deshalb finde ich die Entwicklung so alarmierend, dass heute wieder vermehrt ungeschützt gefickt wird. Laut dem Magazin „Der Spiegel“ ist die Infektionsrate wieder gestiegen. Wie kann das sein? Ich frag mich, warum derart viele, vor allem junge Männer so naiv und verblendet mit dem Thema HIV umgehen. Sind sie nicht genügend darüber informiert, was es bedeutet, die eigene Lebenszeit von HIV-Tabletten abhängig zu machen und mit Nebenwirkungen zu kämpfen? Wenn ich dann im Night-Life und auf Sex-Partys so viele Männer sehe, die extrem egozentrisch, nachlässig und verantwortungslos miteinander umgehen, ist das für mich schon schwer zu verdauen. Das macht mich wütend und traurig zugleich. Denn Fakt ist nun mal: HIV ist auch heute noch nicht heilbar. 

(Ergänzung der Redaktion: Ein Anstieg der HIV-Infektionsrate war laut Robert-Koch-Institut (RKI) seit ca. 2000 zu beobachten; seit 2006 sind die Zahlen auf einem relativ niedrigen Niveau stabil. Die meisten HIV-Neuinfektionen bei Männern werden laut RKI in der Altersgruppe der 25 – 29-Jährigen festgestellt. Danach folgt mit wenig Abstand die Gruppe der 30 – 34-Jährigen und hiernach die Gruppe der 35 – 39-Jährigen.) 

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