Bei der Gay-Filmnacht unseres Partners Edition Salzgeber gibt es jeden Monat in zahlreichen Städten einen schwulen Film vom Feinsten. Im September ist das große Romantik aus Peru: „Contracorriente“: „Ghost“ meets „Brokeback Mountain“
Plötzlich steht Santiago mitten in Miguels Küche. Und sagt nichts. Sieht Miguel nur an. Dann geht er wieder. Dabei hatten sie klar vereinbart, sich nur am Strand zu treffen, sich nur dort zu lieben. Das muss sein, weil Miguel mit Mariela verheiratet ist, die ein Kind von ihm erwartet. Und weil die Einwohner in Cabo Blanco, dem kleinen Dorf an der peruanischen Küste in dem sie alle leben, nicht verstehen würden, dass Miguel der Fischer, einer aus ihrer Mitte, neben seiner Frau auch Santiago liebt, den Maler aus der Stadt.
Die Gegensätze in Javier Fuentes-Leóns „Contracorriente“ (was sich mit „Unterströmung“ übersetzen lässt) sind oberflächlich betrachtet schnell aufgestellt: Hier der phantasievolle, kreative, tolerante Städter, der aus Liebe zu einem Mann allerlei Entbehrungen in Kauf nimmt, dort die sture, rückwärtsgewandte Dorfgemeinschaft, die einem Mitglied nicht gestatten würde anders zu sein. All das verpackt in atemberaubende Landschaften, fertig ist das preisgekrönte Beziehungs-Drama.
Aber so leicht will der Regisseur und Drehbuchautor es weder sich selbst noch seinem Publikum machen. „Contracorriente“ ist viel mehr als eine simple Parabel über gesellschaftliche Widerstände, die es zu überwinden gilt. Zum ganz großen Gefühlskino wird er, weil es eben nicht um das Glück des Paares geht. Das hat nie eine Chance. Denn das was da in Miguels Küche steht, ist nur ein Geist. Santiago ist tot, ertrunken, und will nun den Geliebten zwingen, seine Leiche zu finden und ihn traditionell zu bestatten, wie es Sitte ist. Was auch bedeuten würde: Miguel müsste sich zu ihrer Beziehung bekennen. Und das sind erst die ersten 25 Minuten des Films.
„Contracorriente“ war 2010 Perus Oscarkandidat und das ganz zu Recht. Fuentes-León scheut die ganz große Emotion nicht, verpackt die in perfektes Handwerk und gibt seinen beiden Hauptdarstellern Manolo Cardano und Cristian Mercado viel zu tun: Es wird gelacht und gelitten, leise geweint und jauchzend gevögelt. Beide sind große Stars in ihrer Heimat und haben sichtbar Freude an der ihnen gestellten, schauspielerischen Aufgabe.
Was eine echte Überraschung ist, denn Peru ist im Umgang mit Homosexualität kein sehr progressives Land. Homosexualität ist nicht strafbar, aber verpönt. Allerdings war „Cantracorriente“ trotzdem ein großer Publikumserfolg und hat eine breite gesellschaftliche Diskussion angestoßen, die in vollem Gange ist.
Für deutsche Kinozuschauer ist der Film so was wie „Brokeback Mountain“ trifft „Ghost – Nachricht von Sam“: eine herzzerreißende, zum Heulen schöne Geschichte über zwei Kerle und das Schicksal. Unbedingt ansehen!
(pasch)
“Contracorriente” (Peru/Kolumbien/Frankreich/Bundesrepublik Deutschland 2010) läuft am 19. September in der Gay-Filmnacht in vielen Kinos in ganz Deutschland und danach in vielen anderen Kinos im Bundesgebiet. Genaue Termine und weitere Infos: http://gay-filmnacht.de und https://www.gmfilms.de/de/