Hollywood überzeugt mit einer abenteuerlichen und auf Tatsachen beruhenden Geschichte aus der Frühphase der Aidskrise.
Schwer auszumachen, was für Ron Woodroof die schlimmere Nachricht ist: dass man beim ihm, dem homophoben Hetero-Macho, die „Schwulenseuche“ festgestellt hat oder dass ihm der Krankenhausarzt eine Lebenserwartung von höchstens 30 Tagen prognostiziert. Denn medizinisch zu bieten haben sie ihm nämlich nichts: 1985 sind die ersten HIV-Medikamente lediglich in einer Testphase, aber noch lange nicht im Handel. Zwar ergaunert sich Woodroof trickreich das vielversprechende Präparat AZT von einem der wenigen ausgewählten Studienteilnehmern, doch davon verschlimmert sich sein Gesundheitszustand nur noch.
Ein schlaues Geschäftssystem: der Dallas Buyers Club
Woodroof aber gibt sich deshalb nicht geschlagen. Als er einen Arzt in Mexiko auskundschaftet, der nicht zugelassene Medikamente und immunstärkende Präparate verkauft, wittert Ron eine doppelte Chance: zu überleben und ein großes Geschäft zu machen. Kartonweise schmuggelt er die in den USA nicht zugelassenen Mittel ins Land. Die drogenabhängige Transsexuelle Rayon, die er in einer Aids-Selbsthilfegruppe kennengelernt hat, sorgt für Vertriebsnetze in die Schwulenszene. Um die Bestimmungen der Gesundheitsbehörden zu umgehen, hat sich Ron ein schlaues Geschäftssystem ausgedacht. Die Medikamente werden nicht verkauft, sondern es gibt sie kostenlos für alle Mitglieder seines eignes gegründete Dallas Buyers Club, die dafür eine satte monatliche Gebühr abdrücken müssen. Oscar-nominiert: Jared Leto als transsexuelle Rayon.
Gewinner-Geschichten von ausgefuchsten Loser-Typen
Das abenteuerliche Husarenstück aus der Frühzeit der Aidskrise ist keineswegs eine Erfindung. Den raubeinigen Underdog Ron und seinen Dallas Buyers Club hat es tatsächlich gegeben und liefert somit alle Zutaten für einen typischen Blockbuster. Gewinner-Geschichten von ausgefuchsten Loser-Typen, die auf originelle Art und Weise das System austricksen, liebt man in Hollywood. Zumal wenn die Anti-Helden auch noch eine Entwicklung vom vorurteilsbeladenen Reaktionär zum toleranten Menschenfreund durchmachen. Aids-Geschichten gelten in der Filmmetropole allerdings immer noch als finanzielles Großrisiko und „Philadelphia“ als rühmliche Ausnahme. Und trotzdem ignoriert der franko-kanadische Regisseur Jean-Marc Vallée („The Young Victoria“) glücklicherweise sämtliche Steilvorlagen für klassischen Hollywood-Kitsch souverän.
Der sex- und spielsüchtige Ron bleibt bis zuletzt ein lediglich bedingt sympathischer, weil immer auch sehr egoistischer Kerl, und seine Gegenspieler – Ärzte, Pharma-und Behördenvertreter – werden nicht zum ultimativ Bösen stilisiert. Woodroof schmuggelt Medikamente ins Land. Dass Matthew McConaughey („Magic Mike“), bislang zumeist abonniert für den Typ des gut gebauten Sunnyboys, für diese Rolle beängstigend viele Kilos heruntergehungert hat, mag manchem großen Respekt abfordern.
Zerrissenheit- und Vielschichtigkeit
Viel wichtiger aber ist, dass er Ron in seiner ganzen Zerrissenheit- und Vielschichtigkeit zu zeigen vermag. Als einen charmanten Kotzbrocken, als couragiertes Arschloch – und als lernfähigen Reaktionär. Auch die Freundschaft zu Rayon bleibt bis zuletzt ambivalent, aber getragen von wachsendem gegenseitigem Respekt. Jared Leto kommt der Verdienst zu, seine Figur des Rayon bis hin zu seinem Kampf um ein würdevolles Sterben von den üblichen platten Tunten- und Transenklischees freizuhalten und als gebrochenen, aber zutiefst menschlichen und starken Charakter zu zeigen. Gut möglich, dass Leto im März dafür einen Oscar in Empfang nehmen darf. Aber auch McConaughey ist mit gutem Grund für einen Academy Award nominiert. Drücken wir ihnen die Daumen!
„Dallas Buyers Club“.USA 2013, Regie Jean-Marc Vallée. Mit Matthew McConaughey, Jared Leto, Jennifer Garner. 117 Minuten, Kinostart: 6. Februar.
Zum deutschen Filmtrailer: http://www.youtube.com/watch?v=tb5-PT78v-Q