„Ich weiß, es kann mir wieder passieren“

Niemand geht gern zum Zahnarzt, selbst wenn es sich „nur“ um eine Routinekontrolle handelt. Denn wer weiß, was der Arzt da wohl entdeckt, Zahnstein oder Plague, und dann gibt’s eine peinliche Ermahnung, künftig die Zähne besser zu putzen. Oder im schlimmsten Falle bei Karies: „Da müssen wir leider bohren“.

Niemand geht gern zum Zahnarzt, selbst wenn es sich „nur“ um eine Routinekontrolle handelt. Denn wer weiß, was der Arzt da wohl entdeckt, Zahnstein oder Plague, und dann gibt’s eine peinliche Ermahnung, künftig die Zähne besser zu putzen. Oder im schlimmsten Falle bei Karies: „Da müssen wir leider bohren“.

Im Nachhinein wäre Carsten* sogar eine Wurzelbehandlung noch lieber gewesen, als dass, was sein Zahnarzt tatsächlich entdeckte, nämlich eine komische Stelle an der Innenseite der rechten Backe. „Mir selbst war da nichts aufgefallen“, erinnert sich Carsten. Mit der Zunge konnte er zwar eine kleine Unebenheit ertasten, aber der hatte er keine größere Bedeutung zugemessen. Schließlich tat es ja nicht weh.

„Ich denke, dass sollten Sie von Ihrem Hausarzt abklären lassen“, riet der Zahnarzt, ohne seine Vermutung auszusprechen. Der Tonfall aber ließ erahnen: Da stimmt wirklich was nicht. Und bei Carsten klingelten die Alarmglocken. Ein paar Tage später stand die Diagnose fest: Die kleine Unebenheit war ein Geschwür infolge einer Syphilis-Infektion. Wie das Bakterium an jene Stelle im Mund gelangen und dort dann zu dieser Entzündung führen konnte, dazu musste Carsten keinen Medizinratgeber konsultieren. Über die Übertragungswege von Lues, landläufig Syphilis genannt, wusste er bereits gut Bescheid. „Einmal den falschen Schwanz geblasen, und schon ist’s passiert“, kommentiert Carsten scherzhaft. Nach der Diagnose allerdings war ihm allerdings weniger zu lachen.

„Die ersten Tage hätte ich mir am liebsten nicht mal mehr die Zähne geputzt und den Mund einfach geschlossen gehalten. Ich ekelte mich vor mir selbst“, gibt der 30-Jährige unumwunden zu.

„Tripper, Filzläuse, Chlamydien – das alles ist zwar lästig, auch ein bisschen peinlich, aber nicht wirklich dramatisch. Syphilis allerdings ist eine ganz andere Nummer“. In der Tat: Werden die ersten Anzeichen einer Infektion, meist kleine, schmerzlose Geschwüre, nicht erkannt, verschwinden diese danach oft wieder unbemerkt. Der Syphilis-Erreger verbreitet sich aber über die Blut- und Lymphwege im gesamten Körper weiter aus. Im schlimmsten Falle kann es als Spätfolge zu Schädigungen der Organe und des zentralen Nervensystems kommen.

Carsten war mit seinem Verdacht zu einem schwulen Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten gegangen. „Ich wollte sicher gehen, dass ich keine dummen Fragen gestellt bekomme.“ Denn so war es einem Freund von ihm ergangen. „Das ist aber eine sehr ungewöhnliche Eintrittstelle bei einem Mann. Haben Sie denn eine Erklärung dafür, wie das hatte passieren können?“, hatte der behandelnde Arzt mit sarkastisch und mit erkennbarer Abscheu gefragt.

Diese Demütigung blieb Carsten erspart. Stattdessen versuchte sein Arzt nach der Diagnose ihn mit einem aufmunternden Scherz den ersten Schrecken zu nehmen und ihm dann das weitere Vorgehen zu erläutern: Blutprobe und Abstrich gingen ins Labor, danach folgte die heilende Penicillinspritze und im Abstand mehrerer Wochen Kontrolluntersuchungen. Nach rund zwei Monaten war alles ausgestanden. Carsten hatte Glück, dass die Syphilis relativ früh nach der Infektion erkannt worden war. Zuvor aber gab es noch eine bittere Pille zu schlucken. „Bis auf weiteres keinen Sex, zumindest nicht mit anderen“, hatte ihm der Arzt nachdrücklich ans Herz gelegt und an seine Verantwortung appelliert. Selbst Küssen war im Falle von Carsten bis zur endgültigen Abheilung der Infektion ein striktes No Go. Unter anderen Umständen wäre das für Carsten ein echtes Problem gewesen, dafür hatte er viel zu gern Spaß mit anderen Kerlen, war regelmäßig in Sexclubs und in Saunen unterwegs oder fuhr auch mal für ein Wochenende zu einem interessanten Online-Date. „Aber die Lust auf Sex war mir erst einmal vergangen“, gibt Carsten offen zu.

Bei PlanetRomeo war ich für Wochen einfach off. Um nicht in die Verlegenheit zu kommen, seinen Fuckbuddies erklären zu müssen, warum er sich rar macht oder nicht, wie sonst, mit in die Sauna kommt. „Ich hab mich gefühlt wie eine versiffte Schlampe“, sagt Carsten ernst. „Versifft – das passt doch vom Wort schon irgendwie zu Syphilis. Natürlich bin ich objektiv betrachte eine Schlampe, das heißt ich habe gern Sex mit vielen verschiedenen Kerlen. Aber irgendwie hatte die Syphilis für mich etwas ziemlich Abgefucktes, Angeranztes. Etwas, das man sich in dreckigen Ecken fieser Darkrooms holt. Keine Ahnung warum.“ Benachrichtigen musste er niemanden. Angesteckt hatte er sich ziemlich sicher auf einem Wochenendtrip in Barcelona, danach hatte er noch keinen weiteren Sex gehabt. Darüber war Carsten ziemlich froh. Die Infektion hatte er tatsächlich ganz für sich gehalten. Erst als alles vorbei war, erzählte er zwei engen Freunden davon.

Und die Zeit ganz ohne Sex? „Ich hatte mir das fast schon abgewöhnt“, lacht Carsten. „Am Anfang war ich total verunsichert. Was ist, wenn ich gleich beim ersten Schwanz wieder an den falschen gerate?“ Gummis verringern natürlich auch das Risiko, sich beim Ficken zu infizieren, aber nicht beim Blasen. „Bevor ich aber in Plastik verpackte Schwänze lutsche, lass ich’s lieber ganz sein.“ Der erste Saunabesuch „danach“ sei komisch gewesen, gibt Carsten zu. Ich war echt panisch und traute mich nichts und niemanden anzufassen. Aber irgendwann überkommt einen dann doch die Geilheit“, sagt er verschmitzt. „Ich versuche aufzupassen, aber eigentlich weiß ich gar nicht, was ich bereuen soll. Ich weiß, es kann mir wieder passieren. Daran denke ich nicht immer, aber doch ab und zu. Inzwischen bin ich allerdings etwas relaxter.“ Und wenn es ihn doch mal wieder erwischen sollte? „Ich würd’s wieder für mich behalten, glaub ich.“ Einmal Syphilis, das ginge noch als Pech durch. „Aber zweimal hintereinander ist dann doch ein deutliches Anzeichen für eine versiffte Schlampe“. Carsten präsentiert diesen Satz als Witz, aber man merkt ihm deutlich an, wie viel Wahrheit für ihn darin steckt.

Für die nächst routinemäßige Zahnprophylaxe hat sich Carsten übrigens eine neue Praxis gesucht. „Mir war’s einfach zu peinlich, mich da noch mal blicken zu lassen.“

Du willst mehr wissen, über die Syphilis: hier findest du einen kurzen Clip rund um Behandlung, Übertragung und Schutz.

* Name von der Redaktion geändert.

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„Tripper, Filzläuse, Chlamydien – das alles ist zwar lästig, auch ein bisschen peinlich, aber nicht wirklich dramatisch. Syphilis allerdings ist eine ganz andere Nummer.“
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