Flo, 40 Jahre, ist HIV-positiv und nimmt seit mehr als 15 Jahren Medikamente. Die Therapie schützt auch seine Sexpartner: HIV ist beim Sex nicht übertragbar.
Kaum war in Deutschland die PrEP erhältlich, ließ sich Alex diese Schutzmethode vor HIV verschreiben. Auch nach anderthalb Jahren schwört der 32-Jährige noch auf diese Lösung, sich vor einer Infektion zu schützen.
Florian mag den Schutz, den ihm das Kondom bietet – vor HIV und vor anderen Geschlechtskrankheiten. Der 45-Jährige empfindet das Gummi beim Sex sogar als Bereicherung.
Was bedeutet deine Safer-Sex-Methode für dich?
Alex (PrEP): Viele Männer nutzen die PrEP, weil sie grundsätzlich auf Kondome verzichten möchten. Bei mir steht das nicht im Vordergrund. Vielmehr verschafft mir die PrEP Sicherheit in Situationen, die ohne sie riskant wären. Bevor ich mir die Tabletten verschreiben ließ, war ich mehr als einmal kurz davor, ungeschützt zu ficken. Ein Bier zu viel und ich musste mich wirklich zusammenreißen. Jetzt liegt der Schutz in meiner Hand: Mit der PrEP ist eine HIV-Infektion auch dann ausgeschlossen, wenn mein Sexpartner kein Gummi überzieht. Dank der PrEP kann ich Sex viel entspannter genießen.
Flo (Schutz durch Therapie): Vor zehn Jahren bin ich noch meistens auf Partys für HIV-Positive gegangen, wenn ich Sex wollte. Nur im geschützten Raum schien es mir möglich, das Kondom wegzulassen, ohne unter Rechtfertigungsdruck zu geraten. Die Schwulenszene war insgesamt ziemlich gespalten: wir Positiven hier, die Negativen dort. Mittlerweile hat sich das geändert. Mehr und mehr schwule Männer sind über die neueren Safer-Sex-Methoden informiert. Sie wissen: Positive können andere Menschen nicht anstecken, wenn sie regelmäßig ihre Tabletten nehmen. Ich kann in Berlin ins Lab oder ins Kitty gehen und Spaß mit Männern haben, die ihre Sexualität jetzt natürlich und angstfrei ausleben. Für mich fühlt sich das an wie eine Befreiung.
Florian (Kondom): Ich verwende weiterhin das Kondom, auch wenn andere darin eine Art „Ikone der Beschwertheit“ sehen mögen. Diese Safer-Sex-Methode ist für mich so sicher wie einfach: Ich nutze sie genau dann, wenn ich Sex habe. Tabletten hingegen müsste ich jeden Tag nehmen, selbst wenn es wochenlang nicht zu Sex kommt. Für Kondome brauche ich kein Rezept und ich muss mir auch nicht regelmäßig bestätigen lassen, dass meine Niere die PrEP noch verträgt.
Ich gehöre auch nicht nicht zu den Männern, die das Kondom beim Sex stört. Im Gegenteil. Ich empfinde es als anregenden Teil des Vorspiels, das Kondom überzustreifen. Dann ist beiden klar, dass der Spaß gleich losgeht.
Wie geht ihr mit Nutzern anderer Methoden um?
Florian (Kondom): Jeder und jede hat das Recht, die Methode zu wählen, die zu ihm oder ihr passt. Außerdem verstehe ich, dass viele PrEP-Nutzer und HIV-Positive unter Therapie Sex ohne Gummi haben möchten. Zum Beispiel haben mir etliche HIV-Positive erzählt, dass sie sich von alten Fesseln befreit fühlen, seit die Schutzwirkung der Therapie nachgewiesen ist. Flo sieht das ja auch so. Ich wiederum empfinde es als Freiheit, auf Tabletten verzichten zu können. Deswegen ist nach wie vor für mich das Kondom die erste Wahl. Wenn mir jemand sagt „Ich nehme Tabletten. Wir können auch ohne Gummi ficken“, dann lehne ich freundlich ab. Das persönliche Schutzbedürfnis eines Menschen steht generell über dem Wunsch des Gegenübers, sexuelle Lust zu erleben.
Alex (PrEP): Mich stört das Kondom nicht. Ich überlasse es in der Regel dem anderen, ob er sich eins überzieht.
Flo (Schutz durch Therapie): Kondome benutze ich nur, wenn der andere darauf besteht und zu heiß aussieht, um ihn wegzuschicken. Ansonsten wünscht man einander freundlich einen angenehmen Abend und flirtet einen anderen Typen an.
Welche Fragen kommen im Zusammenhang mit eurer Schutzmethode auf?
Alex (PrEP): Da ich viel reise, bemerke ich im Umgang mit der PrEP regionale Unterschiede. In Berlin, Hamburg oder Köln ist sie etabliert. Viele Schwule gehen genauso offen damit um wie ich. In kleineren Städten dagegen trauen sich bisher wenige, über die PrEP zu reden oder sie in einer App anzugeben. Dort ist die Schutzmethode außerdem erklärungsbedürftiger. Als wir letztens mit „ICH WEISS WAS ICH TU“ in Kassel waren, haben mich jüngere Schwule geradezu gelöchert mit ihren Fragen. Leider gibt es noch nicht überall ausreichend Schwerpunktärzte.
Flo (Schutz durch Therapie): Es ist schon lange nachgewiesen, dass die HIV-Therapie eine Übertragung von HIV verhindert. Die neue Gelassenheit uns Positiven gegenüber kommt aus meiner Sicht aber vor allem durch die PrEP. Erst diese neue Methode hat die Alternativen zum Kondom in den Fokus des Interesses gerückt. Die vielen Negativen, die Kondome als Quälerei empfinden, informieren sich jetzt. Sie nehmen die Botschaft gerne auf, dass Kondome nicht mehr das einzige Mittel der Wahl sind, und erzählen das weiter. Auch die Medien interessieren sich mehr für die PrEP als für Schutz durch Therapie. Das finde ich auch in Ordnung so. Die Zielgruppe ist einfach größer: HIV-negative Menschen, die täglich eine Tablette nehmen und dem Virus so den Zugang versperren.
Florian (Kondom): Ein paar Mal bin ich auf Unverständnis gestoßen. In anderen Situationen erhalte ich wiederum explizit Zuspruch dafür, dass ich Kondome nutze. Das hält sich die Waage.
Löst eure Schutzmethode gelegentlich Konflikte aus?
Alex (PrEP): Auf Facebook und Co. toben manchmal schon heftige Auseinandersetzungen zwischen einigen Kondomanhängern und PrEP-Aktivisten. Ich finde aggressives Missionieren unreif und intolerant. Am Ende bleibt doch jedem erwachsenen Menschen selbst überlassen, wie er seine Sexualität auslebt.
Florian (Kondom): Mehr als enttäuschte Blicke erlebe ich in der realen Welt selten, wenn ich ein Kondom überziehe. Was Alex zu den Facebook-Diskussionen sagt, kann ich aber bestätigen. Unwürdig, was da teilweise abgeht.
Flo (Schutz durch Therapie): Zu Konflikten kommt es wegen meiner Einstellung allenfalls in kleineren Städten. Dort fühle ich mich manchmal schief angeschaut, wenn ich Sex ohne Gummi möchte. Aber beleidigt hat mich im realen Leben noch niemand.
Wie sieht das konkret aus beim Online-Dating?
Flo (Schutz durch Therapie): In den einschlägigen Apps gebe ich an, dass meine Sexpartner durch meine Therapie geschützt sind. Das nehmen wildfremde Menschen zum Anlass, an meiner Redlichkeit zu zweifeln. Es könne niemand sicher sein, dass ich wirklich Tabletten nehme. Einer schrieb sogar mal, ich solle aufhören, mein ‚Aids‘ zu verbreiten. Auf Diskussionen auf so niedrigem Niveau lasse ich mich nicht ein. Ich kläre gern über HIV-Risiken auf, wenn ich für die Aidshilfe unterwegs bin. Auf Dating-Plattformen bewege ich mich aber nicht, um anderer Leute Wissenslücken zu schließen. Ich entgegne dann lediglich, dass es jedem freisteht, auf Sex mit mir zu verzichten. Aber mal ehrlich: Es liegt doch in meinem ureigenen Interesse, dass meine Therapie erfolgreich verläuft. Die Idee, die Tabletten abzusetzen, käme mir gar nicht in den Sinn.
Alex (PrEP): Ich fand es richtig und wichtig, dass die Aidshilfen und andere Organisationen hartnäckig Druck auf die schwulen Dating-Apps ausgeübt haben. Bei diesen Unternehmen galt noch bis vor kurzem allein das Kondom als Safer-Sex-Methode. Jetzt stehen die drei Methoden gleichberechtigt nebeneinander. Das sendet vor allem an jüngere Schwule die klare Botschaft, dass sie sich informieren und dann entscheiden sollten. Ich selbst gebe in Dating-Apps wahrheitsgemäß an, dass ich die PrEP nehme. Potenzielle Sexpartner wissen also von vornherein, woran sie sind. Angepöbelt hat mich dafür noch keiner. Im Gegenteil. Manche Tops melden sich gleich mit der Frage, ob wir ohne Gummi ficken können. Ich finde das ok. Lieber direkt als lange um den heißen Brei.
Florian (Kondom): In Dating-Apps sind Gespräche generell schnell zu Ende, wenn dem Gegenüber bestimmte Details nicht passen. Vermutlich läuft bei vielen im Chat eine Art Kopfkino ab, und wer sich nicht ans Drehbuch des anderen hält, ist raus. Das kann alles Mögliche betreffen, unter anderem auch meine Safer-Sex-Methode. „Ohne Gummi“ ist ein Wunsch, der mir im Internet öfter begegnet.
Wie steht ihr zu anderen Geschlechtskrankheiten wie Syphilis, Chlamydien oder Tripper?
Alex (PrEP): In der Tat ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Risiko des Einzelnen steigt. Ich selbst beispielsweise musste unter PrEP bisher zweimal Antibiotika schlucken. Genauso richtig ist aber, dass sich PrEP-Nutzer zu regelmäßigen Untersuchungen verpflichten. Vier jährliche Routinetests auf Geschlechtskrankheiten – da bleibt nichts unentdeckt.
Flo (Schutz durch Therapie): Zwar fangen sich Männer, die ohne Gummi ficken, statistisch gesehen öfter eine Syphilis oder Chlamydien ein als Kondomnutzer. Ich stehe aber auf dem Standpunkt, dass jeder mit Risiken umgehen muss, wie es seiner Persönlichkeit entspricht. Ich zum Beispiel lasse mich im Rahmen meiner HIV-Therapie alle drei Monate auf alles testen, was man sich beim Sex zuziehen kann. Denn eine rechtzeitige Behandlung bewahrt mich vor den Folgen der Infektion und meine Sexpartner vor Ansteckung.
Florian (Kondom): Klar gibt es gegen Syphilis oder Chlamydien Medikamente. Aber warum soll ich meinem Körper Chemie zumuten, wenn ich das Risiko durch ein Kondom senken kann? Was die Tests anbelangt: Es ist ein Klischee, dass Kondomnutzer Testmuffel seien. Ich selbst absolviere das volle Programm von vier Routinetests im Jahr, genau wie Alex und Flo. Mir ist aber auch klar, dass sich viele Menschen deutlich seltener untersuchen lassen. Ich finde es deshalb richtig, dass die Aidshilfe einen Schwerpunkt ihrer Präventionsarbeit auf die Tests legt. Und dass sie regelmäßige Tests unabhängig von den Safer-Sex-Methoden empfiehlt.