„Hast du noch viel Zeit zu leben?“ – Reaktionen nach dem positiven Testergebnis

Als Christian von seiner Hausärztin die HIV-Diagnose bekam, stand er erst einmal unter Schock. Doch schon als Nächstes stellte sich der heute 24-Jährige zwei entscheidende Fragen: Hab ich ohne es zu wissen, meinen Freund angesteckt?

Als Christian von seiner Hausärztin die HIV-Diagnose bekam, stand er erst einmal unter Schock. Doch schon als Nächstes stellte sich der heute 24-Jährige zwei entscheidende Fragen: Hab ich ohne es zu wissen, meinen Freund angesteckt? Und: Wie werden Bekannte und Familie reagieren?

Christian, als Testheld von Testhelden.info erzählst du, dass du mit deiner HIV-Infektion inzwischen klar kommst. Kannst du dich noch gut an den Tag der Diagnose erinnern?
Und wie! Es war der 18. Februar 2013. Ich war an dem Tag bei meiner Hausärztin, die mich angerufen hatte, weil die Blutprobe meines HIV-Tests angeblich heruntergefallen sei und ich deshalb erneut kommen sollte. Eigentlich saß ich also eher entspannt im Wartezimmer, wurde dann aufgerufen und ich bin direkt ins Labor gegangen. Dort wurde mir aber gesagt, dass die Ärztin erst noch mit mir sprechen will. Da hab ich einen ersten Schauer bekommen. Als ich dann bei ihr saß, hat sie direkt gesagt, dass sie eine schlechte Nachricht für mich hätte.

Christian1
Testheld Christian erzählt davon, wie er sein positives Testergebnis erhalten hat. (www.testhelden.info)

Mir ist sofort schwindlig und schwarz vor Augen geworden. Und dann kam auch schon der Satz: „Sie sind HIV-positiv“.

Konnte sie dich in diesem Moment auffangen?
Ja. Ich bin noch circa eine Stunde in ihrem Zimmer gewesen, wir haben ziemlich lange geredet.

Dabei habe ich erst erfahren, dass sie in Düsseldorf eine der wenigen HIV-Schwerpunkt-Ärztinnen ist. Da hatte ich großes Glück, weil sie sich dadurch natürlich auskennt und auch sensibilisiert dafür ist, wie man dieses Thema bespricht.

Sie hat mir gesagt, dass das jetzt nicht das Ende meines Lebens bedeutet, und das HIV gut behandelbar ist.

Habt ihr auch über mögliche Reaktionen des Umfelds gesprochen?
Ja, denn das war schon etwas, das mich nach dem ersten Schock sofort als nächstes beschäftigt hat. Drei Gedanken waren da: Erstens: Wie wird mein Freund reagieren? Hab ich ihn womöglich sogar ohne zu wissen angesteckt? Das war definitiv der qualvollste Gedanke. Der zweite Gedanke war dann der Typ, bei dem ich mich angesteckt hatte. Der dritte und gleichzeitig problematischste Gedanke waren dann noch meine Eltern. Weil ich privat familienversichert bin und man da die Medikamente erst einmal vorstrecken muss, war nämlich klar, dass meine Eltern schon bald Bescheid wissen würden. Das war echt scheiße.

Phil MEINWELT Photography | Deutsche Aids Hilfe DAH
Auch gute Freunde haben Christian nach dem positiven HIV-Test geholfen. (www.testhelden.info)

Wer war dann die erste Person, der Du Dich anvertraut hast?
Abgesehen von dem Psychologen, bei dem ich am nächsten Tag war, weil ich Angst hatte, Dummheiten zu begehen, war das dann kurze Zeit später mein Freund.

Und wie war das?
Es war schrecklich. Wir haben beide sehr viel geweint, minutenlang. Das hatten wir so noch nie in unserer Beziehung. Die ganze Ungewissheit war uns einfach beiden zu viel. Was ist mit ihm? Und bedeutet das jetzt das Aus für unsere Beziehung?

Hat er dir Vorwürfe gemacht?
Nein, nie! Er ist, was das anbelangt, einfach ein richtig toller Mensch. Ich weiß nämlich ehrlich gesagt nicht, ob ich an seiner Stelle nicht abweisend reagiert und Vorwürfe gemacht hätte. Vorwürfe kamen von seiner Seite aus aber nur gegen den anderen Typen, von dem ich mir die Infektion geholt habe.

Wem hast du danach von der Infektion erzählt?
Das war ein sehr enger Freund aus Köln, bei dem ich auch nochmal geweint habe, der mich aber gut auffangen konnte und mich vor allem auch beraten hat, wie ich jetzt mein Leben strukturiere, was es alles zu beachten gilt.

Nach einigen Wochen bin ich dann zu meinen Eltern gefahren und hab es meiner Mutter erzählt. Sie war sehr traurig, hat aber ganz gut reagiert. Jetzt, über zwei Jahre später, würde ich das allerdings anders beurteilen.

Warum?
Zunächst hat sie meine offene Beziehung in Frage gestellt. Dann hat sie es meinem Vater und auch anderen weitergesagt, ohne mich zu fragen. Das hat mich schon sehr verletzt und war für das Verhältnis zu manchen Familienmitgliedern nicht unbedingt gut. Denn sie hat das Ganze sehr einseitig dargestellt.

Wie hat dein übriges Umfeld reagiert? Gab es da ein typisches Muster?
Also die meisten waren schon bestürzt und haben mich ständig gefragt, wie es mir geht und manchmal kamen dann auch so vorsichtige Nachfragen à la „Hast Du noch viel Zeit zu leben?“. Das erlebe ich übrigens auch jetzt noch manchmal, wenn ich Leute neu kennenlerne und denen so nach ein oder zwei Wochen von meiner Infektion erzähle.

Eine letzte Frage: Bist du mit deinem Freund noch zusammen?
Ja, das das bin ich. Natürlich weiß ich nicht, wie es gewesen wäre, wenn er sich tatsächlich angesteckt hätte. Aber das ist zum Glück nicht passiert.


Mehr über HIV, den HIV-Test und wie du zum Testhelden wirst, erfährst du unter www.testhelden.info

Mpox

Mpox - Aktuelle Information

Mehr Raum _ Safer Spaces for Queers

Mehr Raum

Geh zum Test

Darkroom-Charaktere: Der Wels

Schwul. Trans*. Teil der Szene!

Weitere Angebote

Wir bieten unterschiedliche Beratungsangebote an. Egal ob online, per Telefon oder im Live Chat: erfahrene und geschulte Berater*innen stehen dir bei allen Fragen rund um HIV, Geschlechtskrankheiten, Chemsex und zum psychischen Wohlbefinden zur Verfügung. Bei der Antidiskriminierungsstelle kannst du dir Hilfe suchen, wenn du aufgrund deiner HIV-Infektion Diskriminierung erfahren hast.