Ständig hört man von „Homophobie“. Hier haben sich wieder einmal Bildungsplangegner in Baden-Württemberg homophob geäußert, dort war es jemand aus der Kirche und ganz woanders ein konservativer Journalist oder Politiker. Aber mal Hand auf’s Herz: Was bedeutet Homophobie eigentlich genau? Wer kann alles homophob sein und was kann man dagegen unternehmen? Der Psychoanalytiker Professor Dr. Udo Rauchfleisch erklärt es uns.
Der Begriff Homophobie ist eigentlich falsch. Denn „Phobie“ heißt „Angst“ und kaum einer wird Angst vor Schwulen, Lesben sowie bisexuellen und Trans*-Menschen haben. Homophobe Menschen haben vielmehr eine anti-homosexuelle Einstellung. Diese entsteht in der Regel durch Vorurteile über gleichgeschlechtliche Lebensweisen und kann zu Ausgrenzungen und abfälligen Bemerkungen bis hin zu massiver Gewalt gegen Lesben und Schwule führen. Oft besteht sie unter der Oberfläche und wird in bestimmten Situationen sichtbar. Etwas beruhigend: Auch wenn das Thema aktuell sehr präsent ist, hat die Homophobie grundsätzlich nicht wesentlich zugenommen.
Das Widersprüchliche daran ist, dass homophobe Menschen oft selbst sagen, dass die Zahl der Homosexuellen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung klein ist. Dennoch fühlen sie sich von dieser kleinen Gruppe (indirekt) bedroht, auch weil diese Gruppe in ihren Augen die bestehende heterosexuelle Lebenswelt – wie die klassischen Rollenverteilungen, die Schwule und Lesben in der Regel nicht kennen – in Frage stellt.
Interessant wird es, wenn ein Homophober sagt „Ich bin nicht homophob, aber…“. Grundsätzlich kann sich jeder kritisch über eine Person äußern – ganz gleich ob diese Person hetero oder homo ist. Dann braucht es aber den ersten Teil des Satzes nicht. Meist dient diese Floskel zur Verschleierung des zweiten Satzteils mit einer negativen, homophoben Aussage.
Auch Schwule und Lesben können homophob sein
Es kommt auch vor, dass Schwule und Lesben negative Bilder von sich als schwuler Mann oder als lesbische Frau haben. Sie haben diese Homophobie quasi verinnerlicht, und die wirkt dann wie ein „Feind von innen“. Man spricht dann von internalisierter Homophobie.
Das kann zu einem negativen Selbstwertgefühl, zu Scham über die eigene Homosexualität, zum Verstecken der sexuellen Orientierung und zu Depressionen führen. Wenn beispielsweise jemand sagt „Wenn ich normal wäre …“ oder wenn man spürt, dass es einen unbehaglich beim Thema Homosexualität wird oder wenn man sich als Lesbe oder Schwuler auf keinen Fall zu erkennen gibt, sollte man das hinterfragen. Denn die verinnerlichte Homophobie kann der Gesundheit schaden und zu körperlichen und psychischen Erkrankungen führen. Wer Selbstwertkrisen, Depressionen, Ängste und körperliche Beschwerden kennt, sollte professionelle Hilfe suchen. Passende Ansprechpartner in diesem Fall kennen die Lesben- und Schwulenverbänden.