„Die allermeisten Männer wollen sich auch auf andere STIs testen lassen“

Kai Eckstein
Kai Eckstein (Foto: Hein & Fiete)

Hein & Fiete“ ist ein HIV-Präventionsprojekt für schwule und bisexuelle Männer mit einem Infoladen im Hamburger Stadtviertel St. Georg, nur fünf Minuten vom Hauptbahnhof entfernt. Im Infoladen kann man sich auch testen lassen, neben HIV auch auf andere sexuell übertragbare Infektionen (STIs). Christine Höpfner befragte dazu Kai Eckstein, den Infoladen-Koordinator und Präventionsberater von Hein & Fiete.

 

Kai, seit wann gibt es euer Testangebot schon, und wie sieht es genau aus?

HIV- und STI-Tests bietet Hein & Fiete schon seit 2004 an, zusammen mit CASA blanca, einer Beratungsstelle der Hansestadt Hamburg im Stadtteil Altona. Angefangen haben wir mit Tests auf HIV, Syphilis und Hepatitis A, B und C, seit Mai 2011 sind bei uns auch Untersuchungen auf Tripper und Chlamydien möglich. Beraten und testen lassen kann man sich jeden Dienstag und Donnerstag von 16 bis 18 Uhr. Das Angebot ist kostenlos, anonym, und man muss sich vorher auch nicht anmelden.

Der Infoladen liegt mitten in der Szene

Was HIV angeht, bieten wir sämtliche Testverfahren an, üblicherweise den „Combo-ELISA“ als Suchtest plus „Immunoblot“ als Bestätigungstest, wahlweise aber auch den Schnelltest und den PCR-Test zum direkten Virusnachweis. Auch hier liegt das Ergebnis schon nach zwei Tagen vor, man muss also nicht mehr wie früher eine ganze Woche darauf warten. Einen Schnelltest setzen wir z. B. dann ein, wenn die Testberatung ergibt, dass der Nutzer ein hohes Risiko hatte und nicht in der Lage ist, zwei Tage auf sein Ergebnis zu warten.

Was hat Hein & Fiete bewogen, Tests anzubieten? Eigentlich ist das doch eine Aufgabe des öffentlichen Gesundheitsdienstes …

Worüber wir hier sprechen, ist ja ein Angebot von CASA blanca, also eines öffentlichen Gesundheitsdienstes – nur eben in den Räumen von Hein & Fiete. Und das hat klare Vorteile: Unser Projekt ist fest in der Schwulenszene verankert und kann die Männer daher besser erreichen als eine Behörde. Der Infoladen liegt inmitten der Hamburger Schwulenszene, und wir haben viele schwule Ehrenamtliche, die im Infoladen mitarbeiten und mit unserem Vor-Ort-Team auch in den verschiedenen Szenen unterwegs sind. Schwule und bisexuelle Männer erreichen wir ebenso über Schwulenmagazine, das Internet und soziale Netzwerke wie Facebook. Überall dort ist Hein & Fiete auch mit eigenen Kampagnen präsent, die auf das Thema „HIV- und STI-Test“ fokussieren. Und dann sind wir ja auch noch in die bundesweite DAH-Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU eingebunden und haben bei deren Testwochen mitgemacht.

Trotzdem habt ihr einen Kooperationspartner…

Die Präventionsberatung kommt gut an

Den brauchen wir, weil bei Hein & Fiete kein Arzt mitarbeitet. Wo immer HIV- und STI-Tests angeboten werden, muss dafür ein Arzt oder eine Ärztin im Haus sein. Die Kooperation mit einer Gesundheitsbehörde hat dabei den Vorteil, dass das Testangebot für die Nutzer kostenlos ist. In unserem Fall ist für die Blutentnahme und die medizinische Beratung eine Ärztin von CASA blanca zuständig, während ich und zwei weitere schwule Kollegen die Präventionsberatung durchführen. Das Testergebnis wird dann von der Ärztin und mir mitgeteilt.

Wie etliche andere Präventionsprojekte hat auch Hein & Fiete an den 2011 veröffentlichten Standards der DAH für HIV- und STI-Tests mitgewirkt. Hat sich dadurch für euch etwas geändert?

Nein, denn was wir hier gemeinsam als Standard formuliert haben, ist für Hein & Fiete nichts Neues, weil wir seit jeher großen Wert auf ein qualitativ hochwertiges Angebot legen. Besonders wichtig ist für uns dabei die Einbettung des HIV-Tests in eine Beratung, die auch andere STIs einbezieht und das individuelle Risiko- und Schutzverhalten zum Thema macht. Diese „Präventionsberatung“ kommt gut an – manche Männer kommen genau deswegen zu Hein & Fiete.

Wie geht ihr bei der Präventionsberatung vor?

Wer bei uns einen HIV-Test machen möchte, wird erst einmal gebeten, einen Fragebogen als Grundlage für das anschließende Beratungsgespräch auszufüllen. Hier geht es darum, mit dem Nutzer zu einer Einschätzung seines persönlichen Risikos zu kommen und gemeinsam zu überlegen, wie er sich schützen kann. Besprochen wird dabei auch, ob für ihn – neben den üblichen Schutzmaßnahmen wie z. B. Kondomgebrauch – noch andere Strategien der Risikominimierung in Betracht kommen. Da wir weder zum Test raten noch davon abraten, kann es durchaus sein, dass der Interessent am Ende des Gesprächs zu dem Schluss kommt, dass er sich nicht testen lässt.

Beratung bietet ihr auch nach dem Test an…

Ein Auffanggespräch kann sehr hilfreich sein

Sicher, bei der Mitteilung des Testergebnisses. Bei einem negativen Ergebnis besprechen wir mit dem Getesteten, was dieser Befund für ihn und sein künftiges Safer-Sex-Verhalten bedeutet. Lautet die Diagnose „HIV-positiv“, kann der Betroffene natürlich erst mal alle seine Fragen loswerden. Zwar ist die Information, dass heute auch mit HIV ein langes und relativ gesundes Leben möglich ist, in unserer Zielgruppe weitgehend angekommen. Zu erfahren, dass man selbst betroffen ist, löst aber trotzdem Ängste aus – kaum jemand kann das einfach wegstecken. Für die meisten ist die Diagnose mit Ungewissheit und der bangen Frage verbunden, was jetzt passieren wird. Das „Auffanggespräch“ mit der Ärztin und uns Beratern kann hier sehr hilfreich sein. Zugleich bieten wir den Betroffenen an, sie an Einrichtungen wie die AIDS-Hilfe Hamburg, die Aidsseelsorge oder eine andere psychosoziale Beratungsstelle zu vermitteln. Und falls sie dies wünschen, sagen wir ihnen auch, wo sie HIV-Schwerpunktärzte finden.

Wie sieht es mit der Nutzung des Testangebots bei Hein & Fiete aus?

2010 haben wir 1.344 Präventionsberatungen – einschließlich der Beratung bei Befundmitteilung – und 638 HIV-Tests durchgeführt, von denen 30 positiv ausfielen. Außerdem haben wir acht akute Syphilis-Infektionen diagnostiziert. Die Nutzerzahlen sind inzwischen noch weiter gestiegen, was einerseits auf unsere Werbung, andererseits auf die Erweiterung des STI-Testangebots zurückzuführen ist. Von Mai bis Juli 2011 erfolgten bei Hein & Fiete 135 Rektal- und 160 Rachenabstriche; dabei wurden zehn akute Tripper- und zehn akute Chlamydien-Infektionen diagnostiziert. Insgesamt stellen wir fest, dass die allermeisten Männer sich nicht nur auf HIV, sondern auch auf andere STIs testen lassen wollen.

Und welche Männer nutzen das Testangebot?

Über 90 Prozent aller Getesteten sind schwule und bisexuelle Männer aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen und Schichten. Unser Angebot ist offensichtlich auch für solche Männer attraktiv, die sich in ihrem sozialen Umfeld nicht so ohne Weiteres als schwul outen können. Zu den Nutzern gehören immer öfter auch Männer mit Migrationshintergrund, was auf etwa ein Fünftel zutrifft. Sie stammen vor allem aus arabischen und englischsprachigen Ländern. Hin und wieder kommen auch Touristen, wobei es sich aber meist um Männer aus dem Hamburger Umland handeln dürfte. Woher sie genau kommen, wissen wir nicht, das fragen wir ja auch nicht ab.

Habt ihr vor, den Test auch direkt in den Szenen anzubieten?

Hein & Fiete ist ja selbst ein Szenetreffpunkt und wird so gut genutzt, dass wir mit dem Angebot nicht noch an weiteren Orten präsent sein müssen. Außerdem testen wir auf verschiedene STIs, und das lässt sich nicht so ohne Weiteres in jeder Umgebung machen. Aber weil STIs in der HIV-Prävention eine immer wichtigere Rolle spielen – manche von ihnen erhöhen das Übertragungsrisiko, und für HIV-Positive gibt es besondere Behandlungsempfehlungen –, könnten wir uns vorstellen, dass wir das Testangebot auf weitere STIs wie z. B. Feigwarzen ausdehnen und dann vielleicht sogar jeden Tag Tests ermöglichen.

 

Wie Beratung bei Hein & Fiete aussieht, zeigt dieses Video: http://www.youtube.com/user/HeinFieteTV

 

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Wir bieten unterschiedliche Beratungsangebote an. Egal ob online, per Telefon oder im Live Chat: erfahrene und geschulte Berater*innen stehen dir bei allen Fragen rund um HIV, Geschlechtskrankheiten, Chemsex und zum psychischen Wohlbefinden zur Verfügung. Bei der Antidiskriminierungsstelle kannst du dir Hilfe suchen, wenn du aufgrund deiner HIV-Infektion Diskriminierung erfahren hast.