Anonym und ohne Moralpredigt: Beratung vor dem HIV-Test

Mit einem Fremden über Sex, HIV und die Angst vorm Test reden? Wenn dieser Fremde ein Profi wie Jens Ahrens ist, dann trau dich. Jens arbeitet bei der Berliner Aids-Hilfe e.V. Im Gespräch erläutert er, wie eine Beratung zum HIV-Test abläuft.
Testberatung
Beratung vor dem HIV-Test: Testheld Tim hat sie erhalten. Genauso wie alle anderen, die einen HIV-Test machen lassen. (www.testhelden.info)

Mit einem Fremden über Sex, HIV und die Angst vorm Test reden? Wenn dieser Fremde ein Profi wie Jens Ahrens ist, dann trau dich. Jens arbeitet bei der Berliner Aids-Hilfe e.V. Im Gespräch erläutert er, wie eine Beratung zum HIV-Test abläuft.

Jens, wir sehen uns zum ersten Mal. Warum könnte ich mit dir offen über Sex und riskante Situationen reden?
Eine professionelle Beratung hat mehrere Vorteile. Sie ist anonym, genau wie der HIV-Schnelltest, der sich meistens anschließt. Außerdem nehmen wir jeden Menschen, wie er ist. Wir hören uns seine Geschichte an, ohne zu werten. Niemand muss Angst haben, dass wir ihn verurteilen oder moralische Vorträge halten. Nicht zuletzt sind wir geschult darin, die richtigen Fragen zu stellen und kompetente Antworten zu geben.

Was fragst du genau?
Zunächst sprechen wir über den Grund, zum Test zu kommen. Einige haben eine neue Beziehung, andere lassen sich regelmäßig checken. Manche haben ein konkretes Risiko vor Augen und wollen Klarheit. Gemeinsam schauen wir dann, wie hoch das tatsächliche Risiko einer Ansteckung mit HIV war.

Und wenn es ein Risiko gegeben hat?
Angenommen ein Kondom ist abgerutscht. Dann frage ich, wie lange das Risiko zurück liegt. Wir können mit dem Schnelltest HIV nach zwölf Wochen zuverlässig ausschließen. Mit einem Labor-Kombinationstest kann die Wartezeit verkürzt werden. Ich frage mein Gegenüber auch, ob der positive Sexpartner Tabletten gegen HIV nimmt. Denn so lange sich im Blut keine Viren nachweisen lassen, ist eine Übertragung unwahrscheinlich. Diese Information kann natürlich nicht sicher abgerufen werden, wenn man den Sexpartner nicht gut kennt.

Welche Irrtümer über HIV begegnen dir?
Viele Menschen überschätzen das Infektionsrisiko. Sie reagieren zum Beispiel manchmal über, wenn sie erfahren, dass einer ihrer Sexpartner positiv ist. Manchmal stellt sich im Gespräch heraus, dass sie bloß geknutscht und geblasen haben, ohne dass Sperma im Spiel war. Dann kann ich sie beruhigen, denn da kann nichts passieren.

Gibt es auch den umgekehrten Fall? Unterschätzen manche die Risiken?
Auch das kommt häufig vor. So glauben viele Aktive, dass sie sich beim Ficken ohne Gummi nicht anstecken können. Das ist leider falsch. Der aktive Partner kann sich  ebenfalls mit HIV infizieren. Außerdem gibt es den Irrglauben, dass HIV nur ältere Männer beträfe.

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Jens Ahrens von der Berliner Aids-Hilfe erläutert, wie eine Beratung zum HIV-Test abläuft.

Meinen viele junge Schwule, nur „alte Säcke“ hätten HIV?
Leider ja. Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts zeigen, dass HIV-Infektionen aktuell besonders häufig bei 20- bis 29-Jährigen entdeckt werden.

Wie geht es nach dem Gespräch weiter?
Gab es ein konkretes Risiko, oder handelt es sich um einen regelmäßigen Check, folgt in  der Berliner Aids-Hilfe nach dem 15- bis 30-minütigen Gespräch der HIV-Test. Natürlich nur, wenn das ausdrücklich gewollt ist. Beim Schnelltest nimmt unser Arzt etwas Blut vom Finger ab. Danach muss die Testperson eine halbe Stunde warten. Das Ergebnis teilen wir im nachfolgenden Gespräch mit. Beim Labortest wird das Blut aus der Vene entnommen. Dieses Ergebnis liegt dann nach einer Woche vor.

Was kostet der Schnelltest?
Das handhaben die lokalen AIDS-Hilfen unterschiedlich. Bei den Berliner Test-Projekten kostet der Schnelltest 15 Euro. Wenn uns jemand sagt, dass er überhaupt kein Geld verdient, können wir diese Summe aber auch erlassen. Die Beratung ist dagegen überall in Deutschland grundsätzlich kostenlos.

Schickst du Leute auch mal ohne Test nach Hause?
Das kommt vor. Zum Beispiel, wenn wir klären konnten, dass es kein Risiko gab. Das Gespräch war für den Ratsuchenden also in zweierlei Hinsicht hilfreich: Er hat gelernt, sein Risikoverhalten besser einzuschätzen, und ich konnte ihm die Sorge um eine mögliche HIV-Infektion nehmen. Eine weitere Situation, in der ein Test wenig nützt, ist, wenn HIV noch nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann.

Sollte ich also nach riskantem Sex warten, bis ich Hilfe suche?
Im Gegenteil! Viele schwule Männer wissen nicht, dass sie direkt nach einem Risiko noch etwas gegen eine mögliche Infektion tun können. Wenn sich herausstellt, dass jemand in den letzten 48 Stunden ein echtes Risiko hatte, schicken wir ihn sofort zur PEP. Wenn jemand frühzeitig HIV-Medikamente bekommt, kann das die HIV-Infektion verhindern.

Im zweiten Teil des Interviews mit Jens Ahrens geht’s um die Beratung nach einem positiven Test.

Wenn du jetzt wissen willst, wie so ein Test abläuft, dann schau dir doch das Video mit unserem Testheld Tim an unter www.testhelden.info

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Wir bieten unterschiedliche Beratungsangebote an. Egal ob online, per Telefon oder im Live Chat: erfahrene und geschulte Berater*innen stehen dir bei allen Fragen rund um HIV, Geschlechtskrankheiten, Chemsex und zum psychischen Wohlbefinden zur Verfügung. Bei der Antidiskriminierungsstelle kannst du dir Hilfe suchen, wenn du aufgrund deiner HIV-Infektion Diskriminierung erfahren hast.