Es gibt immer mehr direkt wirksame antivirale Medikamente zur Behandlung von Hepatitis C. Das einzige Problem sind die hohen Kosten. Viele Ärzt_innen schrecken davor zurück, die neuen Therapien zu verordnen, weil sie Regressforderungen der Krankenkassen befürchten. Von Armin Schafberger, Medizin-Referent der Deutschen Aidshilfe.
Das Alte ist weg. Fast komplett. Das ist gut so
Jahrelang bestand die Standardbehandlung von Hepatitis C aus Interferon und Ribavirin. Je nach Genotyp dauerte sie sechs bis 18 Monate; die Erfolgsaussichten schwankten zwischen 30 und 90 Prozent. Insbesondere das bislang eingesetzte Interferon hat viele Nebenwirkungen: Grippesymptome, Blutarmut, Müdigkeit, Gewichtsverlust, Haarausfall, Gereiztheit, Konzentrationsstörungen und Depressionen.
Die neuen Hepatitis C Medikamente: saugut und sauteuer
Im Lauf des letzten Jahres bekamen neue Medikamente die Zulassung. Anders als Interferon wirken sie nicht auf dem Umweg über das Immunsystem auf die Infektion, sondern direkt auf den Replikationszyklus des HCV. (Das machen die HIV-Medikamente ja auch.) Nach den seit Februar 2015 gültigen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten wird es die Interferonbehandlung (bis auf Ausnahmefälle) nicht mehr geben. Nur Ribavirin – das am besten verträgliche Medikament der alten Garde – wird weiterhin noch gebraucht.
Vorteile der neuen Therapien
- Die Therapien sind wirksamer. Meist werden Erfolgsraten von 90 oder 95 Prozent erreicht oder sogar übertroffen!
- Die Medikamente sind – soweit bekannt – sehr gut verträglich.
- Die Therapien dauern nicht mehr so lange, in der Regel nur noch zwölf Wochen, bei (bislang nicht behandelten) Therapienaiven zum Teil nur noch acht, bei Patienten mit Zirrhose oder nach (erfolgloser) früherer Therapie eher 24 Wochen.
Nachteile der neuen Therapien
- Wie bei HIV-Medikamenten kann HCV resistent gegen die Medikamente werden. Deshalb kombiniert man mindestens zwei, eher drei, manchmal sogar vier Medikamente miteinander, um eine ausreichende Wirkung zu erzielen – dann sinkt das Risiko einer Resistenzbildung.
- Die Therapien sind so teuer, dass es in allen Ländern Probleme mit dem Zugang zu der neuen Therapieform gibt.
Schwere der Erkrankung und Genotyp entscheidend für Auswahl der Medikamente
Welche Medikamente die Ärztin/der Arzt für die Behandlung vorschlägt, hängt davon ab, mit welchem HCV-Genotyp man infiziert ist, denn die verfügbaren Medikamente wirken nicht bei allen Genotypen gleich gut.
Was kostet die Heilung?
Nach den deutschen Leitlinien kann eine chronische Infektion unabhängig vom Grad des Leberschadens behandelt werden. Warum verordnen Ärzt_innen hierzulande aber die neuen Substanzen nur zurückhaltend? In den letzten Monaten diskutiert die Öffentlichkeit viel über die hohen Kosten der Medikamente.
Für die günstigste Heilung betragen die Kosten für die Medikamente ca.45.000 €. Eine Zwölfwochentherapie mit den neuen Substanzen schlägt je nach Kombination mit 54 000 bis 95 000 € zu Buche. Eine 24-wöchige Therapie kann im Extremfall knapp 200 000 € kosten.
Viele Ärzt_innen befürchten, dass die Krankenkassen das Geld zurückfordern könnten, wenn sie bei der Verschreibung einen (kleinen) Fehler machen. Ärzt_innen müssen nämlich nicht nur die beste – wissenschaftlich fundierte – Therapie auswählen, sondern auch – bei zwei oder mehr Möglichkeiten – die kostengünstigste.
Daher ist es in den Leitlinien wichtig, an welcher Stelle oder mit welcher Stärke eine Therapie empfohlen wird. Bis Februar 2015 waren in den Leitlinien immer noch die kostengünstigeren Interferontherapien genannt. Diese sind nun gestrichen. Die Furcht der Ärzt_innen vor Regressforderungen sollte somit etwas nachlassen.
Krankenkassen verhandeln mit Industrie und Ärzt_innen
Derzeit laufen die Verhandlungen auf allen Ebenen. Die Krankenkassen versuchen auf der einen Seite, mit der pharmazeutischen Industrie verträgliche Preise auszuhandeln. Im Fall des Medikamentes Sofosbuvir konnte mit dem Hersteller Anfang dieses Jahres ein moderater Preisnachlass vereinbart werden. Auf der anderen Seite schließen die Krankenkassen, derzeit vor allem die AOK, mit einigen Ärzt_innen Versorgungsverträge ab, die die Regeln für die Verschreibung der Medikamente aufgestellen. In Berlin, dem Rheinland und Hessen gibt es solche Verträge schon. In diesen Verträgen wird vereinbart, dass Ärzt_innen gesonderte Beratungsgespräche führen oder vor der Verschreibung der neuen Substanzen eine ärztliche Zweitmeinung einholen müssen. Patient_innen müssen allerdings bei diesen Ärzt_innen besonderen Verträgen zustimmen, bevor es zu einer Behandlung kommt. Es bleibt spannend.
Mehr zu Hepatitis C auf ICH WEISS WAS ICH TU.