Bis 15. November gibt es von Kiel bis bis Böblingen noch rund 80 Gelegenheiten, sich beraten und testen zu lassen. In diesem Jahr stehen besonders viele Angebote direkt in der schwulen Szene zur Verfügung, zum Beispiel in der Sauna
Die Nacht in der Deutschen Eiche kann beginnen: Der Mann am Eingang schiebt alles Nötige für einen entspannenden Cruising-Abend über die Theke: Handtuch, Garderobenschlüssel, Kondombriefchen. Und ein Faltblatt: Es kündigt einen besonderen Service der Münchener AIDS-Hilfe an: Heute HIV-Test in der Sauna.
Eher ungewöhnlich? Nicht während der Testwochen von ICH WEISS WAS ICH TU. Die laufen noch bis zum 15. November im ganzen Bundesgebiet. In Zusammenarbeit mit zahlreichen Projektpartnern vor Ort bietet IWWIT an vielen Orten Tests auf HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen an – inklusive der entsprechenden Beratung natürlich. Bis zum kommenden Montag gibt es noch rund 80 Möglichkeiten.
Die Testwochen sollen zu Test und Beratung motivieren, weil gut ein Viertel der Menschen mit HIV in Deutschland nichts von der Infektion weiß. Viele verpassen deswegen den optimalen Zeitpunkt, in eine Therapie einzusteigen.
Beratung in separaten Räumen: Diskretion ist wichtig
Um die Zielgruppe direkt anzusprechen, werden Beratungen und Tests nicht nur an gewohnten Orten wie Gesundheitsämtern oder lokalen Aidshilfen durchgeführt, sondern verstärkt auch in Saunen, vor Szenekneipen und im Vorfeld von Partys – überall dort, wo sich Männer treffen, die gerne Sex mit anderen Männern haben.
„Ein Test vor Ort geht nicht überall“, stellt Christopher Knoll von der Münchner AIDS-Hilfe fest. „Aber wenn die räumlichen Gegebenheiten stimmen und die Inhaber mitziehen, ist so ein Angebot sehr sinnvoll.“ Knolls Team postierte sich in diesem Jahr erstmals in der traditionsreichen schwulen Sauna des Hotels Deutsche Eiche.
„Wir haben die Leute natürlich nicht offensiv angeworben“, betont Knoll. Stattdessen konnten sich die Gäste bei Interesse an einen Stand der AIDS-Hilfe wenden. Beraten wurde in zwei separaten Räumen, die weder von der Sauna noch vom Wartebereich aus einsehbar waren. Diese Diskretion ist Knoll sehr wichtig: „Wäre ein positives Test-Ergebnis dabei gewesen, hätte der Ratsuchende die Sauna sogar durch einen zweiten Eingang verlassen können.“
Testwochen-Koordinator Peter Wiessner begrüßt die Vor-Ort-Aktionen: „Dass sich 2010 mehr Initiativen heraus trauen, freut uns sehr. Ohne die Phantasie der teilnehmenden Projekte wären die vielen Angebote nicht möglich gewesen.“
Durch die niedrigschwelligen Beratungsangebote in der Szene sollen Männer erreicht werden, die beim Sex Risiken eingehen, aber vielleicht noch nie einen Test gemacht haben oder bei einer Beratung waren. Manchen fällt es schwer, zur Aidshilfe oder zum Gesundheitsamt zu gehen.
Ob diese Zielgruppe tatsächlich erreicht wird, untersuchen Wissenschaftler der Freien Universität Berlin. Die Testwochen 2009 ließen hier noch keine klare Aussage zu: Bei den Vor-Ort-Einsätzen wurden verhältnismäßig viele Männer getestet, die nach eigener Aussage vorher kein HIV-Übertragungsrisiko eingegangen waren – die also nicht zur genannten Zielgruppe gehörten. Möglicherweise verfuhren auch einige Teilnehmer nach dem Motto: Der HIV-Test in der Sauna erspart den Weg zur Aidshilfe.
Heiße Sauna, kühler Kopf?
Die Auswertung der Testwochen 2010 wird auch deswegen mit Spannung erwartet, weil die Tests vor Ort umstritten sind. Kritiker halten eine Sauna oder eine Party einfach nicht für den richtigen Ort, um eine medizinische Diagnose zu stellen.
Peter Wiessner kennt die Bedenken, hält aber auch an Szeneorten eine gute Beratung über HIV und Aids für möglich. Die von der Deutschen AIDS-Hilfe entwickelten Qualitätsstandards für den HIV-Test seien beim Einsatz in der schwulen Szene keinesfalls gefährdet: „Die Hygienevorschriften und Beratungsstandards werden selbstverständlich nachts in einer Sauna genauso beachtet wie tagsüber in Aidshilfen oder Gesundheitsämtern“, betont Wiessner.
So finden die Beratungsgespräche in einem geschützten Rahmen statt, ihr Inhalt wird vertraulich behandelt, der Ratsuchende bleibt anonym. Ein HIV-Test wird nur durchgeführt, wenn der Getestete zustimmt und weiß, worauf er sich einlässt. Dazu gehört auch der Grundsatz: Kein Test unter Einfluss von Alkohol oder Drogen.
Und trotzdem: Könnte es vorkommen, dass jemand sich im Partyleben unbedacht zu einem Test entschließt, den er später bereut?
„Wenn das Setting stimmt, wird niemand durch ein Test-Angebot in der Szene überrumpelt“, meint Reinhard Klenke von der AIDS-Hilfe NRW – und nennt als Beispiel das „Beratungs- und Test-Mobil“, das in Nordrhein-Westfalen im Einsatz ist. Im Inneren des Campingbusse könne man sogar auf einem Autobahnparkplatz in Ruhe beraten. „Ein Testangebot in so einem Bus überlässt jedem die Entscheidung, ob er den Test macht oder nicht.“
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