Schwule Mädchen
Samantha
Bevor unsere Autorin sich als trans outete, lebte sie als schwuler Mann. Deshalb verbindet sie bis heute vieles mit der schwulen Community und die Erfahrungen beeinflussen sie noch heute auf Sexdates.
Mein Leben hat eigentlich unter ganz anderen Vorzeichen angefangen. Mir sollten Jungenspielsachen gefallen und Fußball sollte mein Hobby werden. Ich sollte später Girls aufreißen, meine Haare kurz tragen oder sie mit einem Dudeschnitt maskulin halten. Meine Extensions sollten den Traum meiner Eltern aber zu einem Albtraum werden lassen, der zeitweise mein eigenes Unglück besiegelte. Und das war wirklich alles andere als ein Albtraum, sondern ziemlich real. Auch das gehört zu den Vorzeichen: nicht nur blanke Erwartungen, nein, es sind Flüche, sie sagen Schlechtes voraus. Wer ihnen nicht entspricht, soll darunter leiden.
Ich wurde als Mädchen geboren, doch meine Eltern wollten mich zum Jungen machen – auf dem Fluchtweg habe ich zu meinem richtigen Geschlecht gefunden. Heute bin ich Samantha und ich bin bereit, jeden Tag aufs Neue die Erwartungen aus meiner Vergangenheit zu durchkreuzen, ihnen Adieu zu sagen. Ich bin trans, ich bin eine Lady und die war ich auch schon immer.
Warum schreibe ich dann auf einem schwulen Sexblog? Einem Blog für Männer – vielleicht aber doch auch für Frauen mit Schwulitätshintergrund. Immerhin komme ich vom selben Ufer, vom Planeten Feminus und habe auch ein schwules Leben hinter mir. Und dieses Schwule, es bleibt für immer ein Teil von mir. Bevor ich meine ersten Sachen von Pimkie getragen habe, ließ ich den Homo-Twink raushängen und nagelte alles mit Penis, was mir vor die Flinte lief. Oder ließ mich nageln, da bin ich nicht so – bis heute.
Irgendwann wurde mir klar: Die Tussi in dir gibt sich nicht mit dem süßen schwulen Boy zufrieden, nein, sie will endlich an die Öffentlichkeit und in die Betten der anderen. Also nannte ich mich Samantha und wurde mehr und mehr zur Frau – mit schwulen Erfahrungen. Der Sex, den ich seither als Frau habe, hängt mit meiner Geschichte als schwuler Mann oder eben schwule Frau zusammen. Abgesehen davon, dass ich mit schwulen Männern in den gleichen Apps rumhänge – und zwar nicht erst seitdem Grindr auch offiziell trans Frauen zulässt.
Klar, auch dort gibt es Erwartungen. Eine trans Frau soll gefügig sein, feminin, hübsch, große Aufblasmöpse, komplett rasiert und glatt. Ein Teilpaket davon kann ich schon liefern. Aber um ehrlich zu sein, ist es einfach erniedrigend. Man fühlt sich manchmal wie die Letzte, wenn man angeschrieben wird und bereits merkt, dass der Typ gezielt nach einer wie mir sucht. Manchmal steht es ja sogar im Profilnamen. Ich werde zum Fetisch – ganz regelmäßig – und es stößt mich ab. Gleichzeitig macht es mich aber an.
Wenn ich so vor mich hin träume und mir vorstelle, wie sich ein x-beliebiger Mann in mich wie in eine x-beliebige cisgender Frau verliebt, dann sticht es richtig tief, mitten ins Herz, dass es Trannylover überhaupt gibt, und dass ich ihre Beute sein soll. So gerne würde ich mich mal mit einem Mann treffen ohne diese Gedanken und Befürchtungen, die wahrscheinlich nur trans Frauen kennen. Ob er mich geil findet – oder nur die Tatsache, dass ich trans bin? Bin ich femme genug, oder stechen die Barthaare zu sehr? Will er meinen Schwanz weich und weggesteckt – oder will er am liebsten drauf reiten?
Bei all den Fragen gehe ich als Person komplett unter, aber natürlich macht es mich auch an. Ich bin gerne Sexobjekt und lass mich rannehmen. Wegwerfsex. Auch das ist für mich schwules Leben: dass man die Möglichkeit hat, ohne Kompromisse und schnell zu bumsen. Doch ich wünsche mir mehr als das. Das verbindet mich mit schwulen Männern. Aber wahrscheinlich verbindet das alle fickenden Menschen: Es ist nie genug und immer ein bisschen daneben.
Was ich an meinem neuen Leben schätze, sind die Veränderungen beim Sex. Vor allem die körperlichen Veränderungen: mein Penis fühlt sich mittlerweile mehr nach dem an, was mir entspricht. Meine Titten sind zwar nicht prall, aber sie können trotzdem schön geknetet werden. Ich bereute es deshalb nicht, mein Leben endlich als die zu leben, die ich schon immer war. Dass ich meine schwule Seite früher mit Mannsein zusammengebracht habe, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen. Dennoch denke ich, dass schwule Männer und ich mehr gemeinsam haben, als man vielleicht ahnen würde.