Wenn Ratsuchende selbst zu Berater*innen werden: Ergebnisse der Studie zur sexuellen Gesundheit in trans und nicht-binären Communitys

Die sexuelle Gesundheit trans und nicht-binärer Menschen, ihre Bedarfe und Herausforderungen waren bisher in Deutschland kaum erforscht. Bis jetzt – denn vergangenes Jahr ist die Studie „Sexuelle Gesundheit und HIV/STI in trans und nicht-binären Communitys“ erschienen. Robyn Schmidt hat sich anlässlich des Trans Day of Visibility mit Chris Spurgat unterhalten. Chris Spurgat ist die Projektleitung und hat die Studie mit begleitet.

Chris, danke, dass du dir Zeit nimmst. Was war der Ausgangspunkt für die Durchführung dieses Forschungsprojekts?

Ausgangspunkt für das Projekt war, dass zwar einerseits sehr viel Communitywissen vorhanden ist, jedoch für den deutschsprachigen Raum keine belastbaren Daten vorlagen. Vor dem Hintergrund der internationalen Datenlage, bspw. in Nordamerika, lag der Schluss nahe, dass Menschen aus den trans und nicht-binären Communitys ebenfalls zu den vulnerablen Gruppen in Bezug auf HIV und STI gehören. So entstand die Idee, gemeinsam mit dem RKI diese fehlenden wissenschaftlichen Daten zu erheben.

Welche Ziele sollten mit dem Forschungsprojekt erreicht werden?

Die Ziele waren vielfältig. Auf Seiten der Deutschen Aidshilfe hatten wir 4 Themenfelder, die uns interessierten.  Das waren:

  1. Wie wird Sexualität und Sprache ge- und erlebt?
  2. Welche Aspekte spielen für ein positives Selbstbild eine Rolle?
  3. Welche Hindernisse gibt es in der Inanspruchnahme von bestehenden Angeboten im Kontext der sexuellen Gesundheit?
  4. Welche Einflussfaktoren auf die sexuelle Gesundheit gibt es?

Das RKI hatte das Ziel, einerseits Daten zur Verbreitung und den Prävalenzen von HIV und STI in den entsprechenden Communitys zu erlangen und andererseits Faktoren zu identifizieren, die bei der Sexualität und damit bei sexuellen Risiken eine Rolle spielen. Also Bedarfe und Erfahrungen im Kontext von Sexualität, HIV, Prävention, Beratung und der Versorgung zu ermitteln.

Das heißt, das RKI hat sich eher um den quantitativen Teil gekümmert und die DAH um den qualitativen Teil. Kannst du das etwas näher umreißen? Sprich, wie war das Projekt aufgebaut und welcher Bedeutung kam dabei der partizipativen Forschung zu?

Der partizipative Forschungsansatz war das beide Teile verbindende Element. Beiden Seiten war von Anfang an wichtig, Community-Vertreter*innen mit einzubeziehen. So gab es einen Projektbeirat, der aus Vertreter*innen der Communitys bestand und das Projekt vom Anfang bis zum Ende begleitet hat. Dem Beirat kam dabei eine kritische Rolle in der Begleitung zu, beispielsweise im Rahmen von Feedbackschleifen. Wichtig war aber auch, dass das Projekt auf Seiten der DAH – trotz einiger Personalwechsel im Laufe des Projekts – durchgängig von Menschen durchgeführt und umgesetzt wurde, die selbst Vertreter*innen aus den entsprechenden Communitys waren und sind.

Beim RKI wurde auch der Online-Fragebogen partizipativ entwickelt, der am Ende von über 3.000 Menschen ausgefüllt wurde.

Bei der DAH haben wir dazu noch Interviews in unterschiedlicher Form umgesetzt. Das Einmalige und Neue dabei war, dass wir die Datenerhebung mit Elementen des Empowerments für die Teilnehmenden verbunden haben. So haben wir u.a. bei den Wochenendveranstaltungen zunächst auch erst einmal einen Raum schaffen wollen, der es ermöglichte, dass Menschen über diese sehr intimen Themen der Sexualität und sexuellen Gesundheit ins Gespräch kommen und sich dabei auch verletzlich zeigen. Für uns war wichtig, dass alle davon profitieren und etwas für sich dabei mitnehmen können. Wir wollten nicht nur die Menschen „beforschen“, sondern alle sollten am Ende auch etwas für sich mitnehmen können. Seien es neue Kontakte, neue Perspektiven oder auch neues Wissen. Neben diesen drei Wochenendveranstaltungen gab es dann noch Tagesveranstaltungen, zwei komplett anonyme Onlineveranstaltungen und vier Einzelinterviews. Bei den Einzelinterviews war es uns wichtig, die Perspektiven noch abzubilden, die in den anderen Erhebungen zu kurz kamen. Insgesamt hatten wir 59 Teilnehmer*innen im qualitativen Teil.

Nach einem Tweet des RKI gab es einen großen Shitstorm und TERFs, sowie andere Gegner*innen, wurden dazu aufgerufen, die Befragung zu sabotieren. Von den 10.000 ausgefüllten Fragebögen, konnten zum Schluss nur 3.000 für die Auswertung berücksichtigt werden.

Das klingt wirklich nach einem sehr spannenden und lohnenswerten Ansatz. Welchen Herausforderungen seid ihr im Projekt begegnet?

Eine der größten Herausforderungen beim Fragebogen war, dass dieser einer sehr intensiven Datenbereinigung unterzogen werden musste. Der Grund dafür war, dass es nach einem Tweet des RKI einen großen Shitstorm dazu gab und TERFs sowie andere Gegner*innen dazu aufgerufen wurden, die Befragung zu sabotieren. Von den 10.000 ausgefüllten Fragebögen, konnten zum Schluss nur die zuvor genannten 3.000 für die Auswertung berücksichtigt werden. Das zeigt auch nochmal, wie viel Ablehnung es gibt und wie stark die Gegenseite im Netz aktiv ist. Dennoch und das ist das wichtigste: So viele Menschen haben diesen mehr als 100 Fragen umfassenden Fragebogen ehrlich ausgefüllt, da ihnen das Thema wichtig war.

Eine weitere Herausforderung war, dass es uns im qualitativen Teil leider nicht gelungen ist, alle Menschen aus den unterschiedlichen trans und nicht-binären Communitys zu erreichen. So gab es beispielsweise insgesamt nur wenige trans weibliche oder auch HIV-positive Teilnehmer*innen.

Vielleicht hätten wir nochmal explizit ein Wochenende nur für trans weibliche Personen anbieten sollen. Das sind aber sehr wichtige Erkenntnisse, die wir in Folgeprojekten gern versuchen wollen stärker zu berücksichtigen. Denn wenn die Studie eines gezeigt hat, und das ist eigentlich keine Überraschung, dann doch, wie divers die trans und nicht-binären Communitys insgesamt sind.

Damit sind wir auch schon bei den Ergebnissen. Welches sind die zentralen Ergebnisse und Erkenntnisse der Studie?

Da würde ich auch einmal wieder nach RKI und DAH unterscheiden. Ein übergreifendes zentrales Ergebnis war die schon eben angesprochene Vielfältigkeit der Communitys in Bezug auf geschlechtliche Identitäten, aber auch auf sexuelle Orientierungen und auf die Körper und der gelebten Sexualität. Auch ein erweitertes Safer-Sex-Verständnis der Teilnehmer*innen , das weit über das Verständnis von Safer Sex als Schutz vor HIV/STI hinweg geht und bspw. auch psychosoziale Aspekte wie Konsens und Kommunikation beinhaltet, ist eines der zentralen Ergebnisse. Gerade der Aspekt von Konsens und Kommunikation zog sich durch alle Veranstaltungen. Dass es wichtig ist, gefragt zu werden, wie Körperteile benannt werden, aber auch selbst zu fragen. Dabei wurde deutlich, dass es mehr braucht als nur die reine HIV/STI-Prävention, um sich safe zu fühlen, die eigene Sexualität mit anderen zu leben.

Auf der anderen Seite gab es einen auch nicht so überraschenden Befund, der die inadäquate Versorgungslage von trans und nicht-binären Menschen im Bereich der sexuellen Gesundheit und Beratungs- und Testlandschaft deutlich machte. Bundesweit wurden in den Interviews  immer wieder drei Projekte genannt, die als gut bewertet wurden. Im qualitativen Teil wurden insbesondere solche Projekte gut bewertet, die einen Peer-to-Peer-Ansatz haben. Projekte ohne einen solchen wurden tendenziell schlechter bewertet. Dies ist zugleich aber auch ein Punkt, in dem sich die Ergebnisse des RKI und der DAH unterscheiden, da das RKI auch nochmal explizit danach gefragt hat. So waren laut der Befragung des RKI auch 62,4% der Menschen mit der Beratung zufrieden, auch wenn sie keinen Peer-to-Peer-Ansatz hatte.

Und als letztes zentrales Ergebnis wurde deutlich, wie wichtig Präventionswissen auch für das eigene Empowerment ist und welcher Bedeutung dabei der Wissensaustausch in den Communitys und zwischen Peers zu kommt. Das sind Faktoren, die dazu führen, sich um sich, den eigenen Körper und um die eigene sexuelle Gesundheit zu kümmern und darüber auch einen höheren Selbstwert zu generieren.
Beim RKI lässt sich nochmal als zentrales Ergebnis nennen, dass die HIV/STI-Vulnerabilitäten mit ähnlichen Mustern, wie sie in der Forschungsliteratur beschrieben werden, auftreten. Gleichzeitig konnte das RKI aufzeigen, welche Barrieren es bei der Inanspruchnahme von Beratungs- und Testangeboten im Gesundheitsbereich gibt. So sind Scham, bereits gemachte oder befürchtete Diskriminierungserfahrungen im Beratungssetting Faktoren, die dazu führen, dass die Diskriminierung quasi antizipiert wird und sich Menschen zweimal überlegen, ob sie dieses Angebot für sich in Anspruch nehmen, weil sie erwarten, dass sie ähnliche Erfahrungen wieder machen.

Menschen kommen als Ratsuchende in die Beratung und müssen am Ende die beratende Person über die eigene Lebensrealität aufklären.

Du hast jetzt schon einige Hürden genannt, denen sich trans und nicht-binäre Menschen hinsichtlich ihrer sexuellen Gesundheit und dem Schutz vor HIV/STIs ausgesetzt sehen. Möchtest du noch welche ergänzen und was lässt sich gegen diese tun?

Insbesondere der Mangel an adäquaten Angeboten, die sich explizit an trans und nicht-binäre Menschen richten ist eine der größten Hürden. Aber auch das fehlende Wissen an den unterschiedlichen Stellen. Einerseits die sehr unterschiedlichen Wissensstände in den trans und nicht-binären Communitys, aber auch der fehlende Zugang zu bzw. das Fehlen entsprechender Ressourcen. Andererseits ebenso das fehlende Wissen auf Seiten der Berater*innen. Da haben viele Teilnehmer*innen berichtet, dass es oft zu einer Rollenumkehr kommt. Sprich Menschen kommen als Ratsuchende in die Beratung und müssen am Ende die beratende Person über die eigene Lebensrealität aufklären. Dieses Ungleichgewicht sollte es nicht geben und muss daher auch dringend adressiert und mittels flächendeckender Schulungen (anhand eines Ausbildungscurricula) von Beratungsstellen abgebaut werden, indem Wissen aufgebaut wird. Da spielen dann auch die zuvor genannten Erfahrungen, wie übergriffige Fragen, Deadnaming beim Aufrufen oder die Verwendung von falschen Pronomen eine besondere Rolle. Dieses nicht oder nur kaum vorhandene Wissen in den Beratungsstellen war eine der zentralen Hürden laut der Befragung.

Welche weiteren Aspekte spielen für die sexuelle Gesundheit und den Schutz vor HIV/STIs für trans und nicht-binäre Menschen eine besondere Rolle?

Ein besonders wichtiger Aspekt ist, dass sich Menschen von der Beratung angesprochen und sich darin ernstgenommen fühlen, um das zu bekommen, was sie brauchen und ihnen weiterhilft.
Das kann dann neues Wissen sein oder auch körperliche Selbsterfahrungen durch Körperaneignung. Der Austausch mit anderen Menschen aus der Community kann helfen Ängste abzubauen und sich sicherer zu fühlen. Auch das gemeinsame Sich-Testen-Lassen mit Freund*innen kann helfen, Angst abzubauen und sich gegenseitig um die sexuelle Gesundheit zu kümmern. Das kann durchaus ein kleines Happening sein, also vorher vielleicht zusammen in ein Café gehen und sich im Anschluss dann testen lassen. Community kann da eine wichtige Rolle spielen.

Nicht erschrecken, jetzt kommt ein kleiner Fragenblock, aber die gehören alle zusammen: Wie hoch sind die Prävalenzen in Bezug auf HIV/STI und inwiefern unterscheiden sich diese im Vergleich zu anderen Gruppen? Welche spezifischen Faktoren führen dazu, dass Personen aus trans und nicht-binären Communitys eine erhöhte Vulnerabilität für HIV und andere STIs haben? Und welche Rolle hat das für zukünftige HIV/STI-Prävention?

Die HIV-Prävalenz in den trans und nicht-binären Communitys liegt bei 0,7% und damit deutlich höher als in der Gesamtgesellschaft, in der sie 0,1% beträgt. Im Vergleich zur Prävalenz von HIV bei MSM liegt sie deutlich niedriger. Diese beträgt nach der letzten EMIS Studie aus 2017 11%. Aktuell läuft eine neue EMIS-Studie, die diese Zahl nochmal aktualisieren wird. Anhand dieser beiden Vergleichsgruppen zeigt sich jedoch schon sehr klar, dass eine sieben Mal so hohe Prävalenz nicht unbedeutend ist. Dennoch ist auch eine differenzierte Betrachtung innerhalb der trans und nicht-binären Communitys wichtig, da diese unterschiedliche Prävalenzen aufweisen.

Diese verinnerlichte Trans-Negativität wird besonders an einem Zitat aus unserer Studie deutlich, das ich an dieser Stelle zitieren möchte: „Ich mute meinem Gegenüber schon meinen trans Körper zu. Da hab ich das Gefühl, nicht noch darauf zu bestehen, dass wir ein Kondom benutzen.“

Ein wichtiger Faktor für die erhöhte Vulnerabilität sind die gesellschaftlichen Stigmatisierungen von trans und nicht-binären Menschen sowie deren Internalisierung. Diese verinnerlichte Trans-Negativität wird besonders an einem Zitat aus unserer Studie deutlich, das ich an dieser Stelle zitieren möchte: „Ich mute meinem Gegenüber schon meinen trans Körper zu. Da hab ich das Gefühl, nicht noch darauf zu bestehen, dass wir ein Kondom benutzen.“ Das ist doch krass und unglaublich schwer zu hören. Es zeigt aber auch, welche Konsequenzen das Selbstbild und der Selbstwert auf die gelebte Sexualität hat.

Gleichzeitig war auch Scham ein wichtiger Faktor, ebenso haben wir auch das fehlende Wissen in Bezug zu Safer Sex, Barrieremethoden, STIs usw. als Belastungsfaktoren herausgearbeitet An diesem Schnittpunkt kommen dann Körperdysphorie und Transitionsprozesse, wie z.B. geschlechtsangleichende OPs als weitere Faktoren dazu, die sich auch wieder auf das eigene Schutzverhalten auswirken können. Schließlich spielen noch die Angebote im Bereich Beratung und Testung eine wichtige Rolle. Da berichteten Menschen von negativen Erfahrungen, die sie selbst bei Angeboten gemacht haben, die sich als trans-inklusiv labelten, aber wo dann grundlegenden Dinge, wie der Unterschied zwischen trans Mann und trans Frau nicht bekannt war.

Diese Erfahrungen schreiben sich fort und das wäre auch der Punkt, wo in der zukünftigen Präventionsarbeit angesetzt werden müsste. Also die Schaffung von bedarfsgerechten Angeboten und Peer-to-Peer-Angeboten. Es braucht mehr Wissen, mehr Sensibilisierung und eine stärkere Berücksichtigung von trans und nicht-binären Menschen in ihren Lebenswelten und Lebensrealitäten. Das sollte unbedingt für die zukünftige Präventionsarbeit mitgenommen werden.

Welche Schutzstrategien kommen für trans und nicht-binäre Menschen in Bezug auf HIV und STI in Frage? Sind diese bereits bekannt oder mangelt es auch an bestimmten Stellen an Wissen, so dass manche vielleicht auch nicht in Betracht gezogen werden?

Da ist grundlegend zu sagen, dass die Communitys in sich sehr divers sind und so sind es auch die Schutzstrategien innerhalb dieser, auch wieder in Bezug auf sehr unterschiedliche Wissensstände. Einige Menschen sind gut informiert, andere eher schlecht. Beispielsweise war das Kondom als Schutzstrategie allen bekannt, aber bei vielen auch die einzige Schutzstrategie, die sie kannten. Beim Wissen zu weiteren Schutzstrategien kommt es darauf an, in welchen Subcommunitys sich die Einzelnen bewegen. So sind trans und nicht-binäre Menschen, die sich eher in schwulen Communitys bewegen, auch diejenigen, die zumindest schon mal von der PrEP und der PEP gehört haben. Das bedeutet nicht, dass sie diese auch schon selbst genommen haben, aber sie durchaus kannten.
Ansonsten wurden noch Lecktücher genannt, aber auch Praktiken wie Pinkeln nach dem Sex oder auch Handhygiene. So unterschiedlich waren die Wissensstände und das Verständnis von Schutzstrategien.

Wie verhält es sich um die Nutzung von HIV/STI-Beratungsangeboten? Welchen Erfahrungen machen trans und nicht-binäre Menschen in diesen Settings? Was läuft bereits gut, was müsste sich verbessern? Gibt es Best Practice Beispiele für gelungene Beratungsangebote oder -ansätze?

Die Teilnehmenden haben berichtet, dass sie auch in den HIV/STI-Beratungsangeboten immer wieder diskriminierende Situationen erleben, sei es bei lokalen Aidshilfen oder auch anderen Angeboten.

Peer-to-Peer-Angebote wurden in der Regel positiv bewertet. Allen Best Practice Beispielen ist gemeinsam ist, dass sie vor allem in Großstädten zu finden sind. Viele Menschen nehmen teilweise sehr weite Weg in Kauf, um diese Angebote zu nutzen, was das Problem nach der flächendeckenden Versorgung und Angeboten deutlich macht. Sogenannte Testing Days speziell für trans und nicht-binäre Menschen, und teilweise auch inter Menschen, kommen ebenfalls gut an.

Vor allem der Ausbau von Peer-to-Peer-Angeboten wurde empfohlen und auch, dass sich die Angebote, die keinen Peer-to-Peer-Ansatz haben, weiterbilden sollten, um sich zu sensibilisieren und eine wertschätzende und nicht-übergriffige Art und Weise an den Tag legen. Das heißt, die Beratung sollte respektvoll ablaufen, insbesondere mit Blick auf die Geschlechtsidentität, dem Namen und auch Pronomen und dies beispielsweise mit Fragebögen zu erheben, damit der*die Ärzt*in weiß, wie die Person aufgerufen werden möchte. So passiert es leider noch viel zu häufig, dass die Menschen mit ihrem Deadname, also dem alten abgelegten Namen, aufgerufen werden oder dass sie mit dem falschen Gender angesprochen werden. Das sind alles Probleme, die oft schon vor der eigentlichen Beratung passieren und dann natürlich auch viel damit machen, wie ich in die Beratung gehe. Das bedeutet, dass das gesamte Praxisteam für diese Aspekte sensibilisiert werden muss.

Was sind die wichtigsten Empfehlungen für die Beratung zur sexuellen Gesundheit und HIV/STI, die sich aus der Studie ergeben haben?

Da sind es einerseits auf trans und nicht-binäre Menschen zugeschnittene Informationen, die auch den Berater*innen bekannt sein sollten oder für eine entsprechende Fortbildung dazu genutzt werden können. Damit verbunden auch eine wertschätzende Haltung, eine respektvolle und anerkennende Sprache und die Beratungsstellen sollten die Vielfalt der trans und nicht-binären Communitys anerkennen und an diesen ausgerichtet sein. Gerade mit dem Blick auf Vielfalt braucht es intersektionale Ansätze, damit möglichst viele Menschen erreicht werden.

Es ist zukünftig zu überlegen, was es dann konkret heißt, intersektional zu arbeiten und die bestehenden Angebote auch dahingehend zu überprüfen. Wenn ich z.B.  nur weiße trans und nicht-binäre Menschen erreiche, dann ist es kein intersektionaler Ansatz. Dann muss ich prüfen, was ich machen kann, damit ich andere Menschen auch ansprechen kann.

Was bedeuten die Ergebnisse für bestehende Communityprojekte im Bereich der sexuellen Gesundheit und HIV/STI-Prävention?

Im Blick behalten sollten wir, dass Community nicht gleich Community ist, sondern dass diese sehr divers untereinander sind und wir hier eher von Communitys sprechen müssen. Nicht alle Projekte, die sich quasi queer auf die Fahne schreiben, haben sich auch explizit mit trans und nicht-binären Lebenswelten auseinandergesetzt oder sind nicht automatisch kompetent in trans Themen. Es ist zukünftig zu überlegen, was es dann konkret heißt, intersektional zu arbeiten und die bestehenden Angebote auch dahingehend zu überprüfen. Da ist es wichtig, eine Schärfung reinzubringen und sich klar zu machen, wen will ich erreichen und wen erreiche ich bisher (nicht). Wenn ich z.B.  nur weiße trans und nicht-binäre Menschen erreiche, dann ist es kein intersektionaler Ansatz. Dann muss ich prüfen, was ich machen kann, damit ich andere Menschen auch ansprechen kann. Zukünftige oder bestehende Community Projekte sollten sich auch selbst hinterfragen können, reflektieren und für sich klären, wen sie konkret erreichen wollen und dies einmal mit dem Status quo abgleichen, um dann auch nachzusteuern und zu gucken, was sich verändern muss, um mehr Menschen zu erreichen oder die Menschen erreichen, die sie erreichen wollen.

Haben sich nach der Durchführung der Studie schon konkret Dinge verändert oder sich daraus entwickelt? Wenn ja, welche und wie geht es nun mit den Ergebnissen weiter?

Bei der DAH haben wir ein Anschlussprojekt (SeBiCo) konzipiert, welches von der Techniker Krankenkasse gefördert wird.  Da haben wir uns mit Blick auf die Empfehlung zum Ziel gesetzt, dass wir einerseits Wissen in die Communitys tragen und andererseits die Peer-to Peer-Arbeit voranbringen wollen. In einem ersten Schritt sollen zwölf Multiplikator*innen ausgebildet werden, die selbst aus den trans und nicht-binären Communitys kommen. Diese wollen wir zu Trainer*innen ausbilden, die dann wiederum Peer-to Peer-Workshops leiten. Das heißt, wir erarbeiten letztendlich zwei verschiedene Curricula, ein Curriculum für die Trainer*innen-Fortbildung und dann ein Curriculum für die Peer-to-Peer Workshops. Die Idee ist, dass die Menschen, die wir ausbilden, im Nachgang in den Städten, in denen sie leben, angebunden an die örtlichen Aidshilfen oder anderer Träger, diese Workshop selbst in ihren jeweiligen Städten umsetzen können. Das fördert den Austausch mit der Community, aber auch unter den Multiplikator*innen. Die zwölf Multiplikator*innen auszuwählen war nicht leicht, da das Interesse an der Fortbildungsreihe sehr groß war. Wir freuen uns sehr diese Menschen persönlich kennenzulernen.

Wir erarbeiten letztendlich zwei verschiedene Curricula, ein Curriculum für die Trainer*innen-Fortbildung und dann ein Curriculum für die Peer-to-Peer Workshops. Die Idee ist, dass die Menschen, die wir ausbilden, im Nachgang in den Städten, in denen sie leben, angebunden an die örtlichen Aidshilfen oder anderer Träger, diese Workshop selbst in ihren jeweiligen Städten umsetzen können.

Gibt es noch etwas, was dir wichtig ist zu sagen und auf keinen Fall in unserem Interview fehlen soll?

Für mich ist es schön zu sehen, was nun nach dem Forschungsbericht und der Broschüre passiert.

Mit dem Anschlussprojekt haben wir nun ein neues Übungsfeld, uns nochmal neu aufzustellen, Dinge anders anzugehen. Die neue Multiplikator*innen-Fortbildung ist eine Art live Entwicklung, bei der wir sehr flexibel sein müssen, wenn wir merken, dass etwas vielleicht nicht so passt und dann zu überlegen, wie können wir es anders machen. Da freue ich mich nun wirklich schon sehr drauf, direkt von Anfang dabei zu sein.

Vielen Dank für deine Zeit und die Einblicke in die Studienergebnisse sowie den Ausblick auf das nun anstehende Folgeprojekt, für das ich euch viel Erfolg wünsche.


Mehr Informationen zum Forschungsprojekt findest du hier. Die Broschüre kannst du kostenlos im Shop der Deutschen Aidshilfe bestellen oder hier runterladen. Der ausführlichere Forschungsbericht ist auf der Seite des RKI zu finden. Und hier kommst du zum Nachfolgeprojekt „Sexuelle Bildung in trans und nicht-binären Commnitys“ (SeBiCo).

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