Die Eichel schleimt grünlich und der Morgenstrahl brennt, als würde ein Igel durch die Harnröhre kullern? Sieht verdammt nach Tripper aus. Noch vor wenigen Jahren war die Diagnose für viele Schwule kaum mehr als ein Ärgernis. Abstrich, Antibiotika, Nachkontrolle, fertig. Und heute?
Eine Spritze! Gegen Tripper! Und zusätzlich Tabletten! So mancher gestandene schwule Mann reagiert entsetzt, wenn er zum ersten Mal nach den neuen Standards therapiert wird. Doch tatsächlich verabreichen mehr und mehr Ärzte gegen Tripper zwei Antibiotika gleichzeitig. „Mittelfristig wird es aber auch mit solchen Kombinationen schwieriger werden, das Bakterium restlos zu beseitigen“, befürchtet Dr. Klaus Jansen vom Robert Koch-Institut (RKI). „Der Grund dafür ist, dass etliche Stämme von Neisseria gonorrhoeae mittlerweile gegen gängige Medikamente resistent sind.“
Falsche Dosierung fördert Resistenzen
Auf seiner Rundreise durch die Betten und Partystädte verändert sich der Erreger genetisch stets ein wenig. Das heißt auch: Unter Umständen bastelt sich das Bakterium einen Schutzschild gegen die Medikamentenkeule. Die Gelegenheit dazu bietet sich zum Beispiel, wenn ein Patient die Dosierungsangaben missachtet. „Antibiotika wirken nur dann wie sie sollen, wenn sie im Körper eine sogenannte minimale Hemmkonzentration erreichen“, erläutert Dr. Jansen. Sie müssen also über einen bestimmten Zeitraum in ausreichender Menge vorhanden sein. Andernfalls können Erreger überleben und zu einer neuen, widerstandsfähigen Variante mutieren.
Schlucken, was die Hausapotheke hergibt?
Auch wer Antibiotika zu Hause hortet, um sie bei einer erneuten Infektion zu schlucken, tut Tripper und Chlamydia möglicherweise den entscheidenden Gefallen. Nur im Labor lasse sich einwandfrei feststellen, womit man es zu tun habe und welches Medikament demzufolge ratsam sei, so Dr. Jansen. „Nimmt der Infizierte ein beliebiges Antibiotikum, besteht das Risiko, dass die Bakterien zwar kurzzeitig geschwächt, aber nicht beseitigt werden.“
Infektionszahlen steigen
Eine weitere schlechte Nachricht liefert die Statistik: Es stecken sich offenbar mehr Menschen mit Tripper an als früher. In Sachsen beispielsweise hat sich die Zahl der diagnostizierten Infektionen innerhalb von zehn Jahren deutlich mehr als verdoppelt (Quelle: Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen). Inwieweit sich dies auf Ballungsräume übertragen lässt, weiß niemand, denn nur in Sachsen ist die Geschlechtskrankheit meldepflichtig. Aber wenn schon aus dem Elbsandsteingebirge Alarmsignale kommen, wie mag die Situation dann in Berlin, Hamburg oder Köln aussehen? Der Hausarzt, zu dem der Autor dieses Blogbeitrags geht, beobachtet jedenfalls Folgendes: „Wenn in Berlin CSD, Folsom oder Hustlaball stattfindet, behandle ich ein paar Tage später mehr Tripper und Chlamydien als Erkältungen.“
Reden hilft
Besonders tückisch: Neisseria gonorrhoeae tritt nicht nur in der Harnröhre auf, wo es sich durch Schmerzen bemerkbar macht. Das Bakterium vermehrt sich auch im Hals und im Darm und bleibt oft lange unbemerkt. Mehr als die Hälfte aller Tripper-Infektionen im Hintern verlaufen symptomfrei. Deshalb rät Dr. Jansen sexuell umtriebigen Männern zu Offenheit beim Arztbesuch: „Suchen Sie sich einen Arzt, mit dem Sie ehrlich über Ihre Sexualpraktiken reden können“, so der Experte vom RKI. „Es nützt wenig, wenn Sie einen Abstrich aus der Harnröhre machen lassen, die Infektion sich aber auf das Rektum beschränkt.“
Dr. Jansen bittet darüber hinaus um Fairness gegenüber den Sexualpartnern. Männer, bei denen ein Tripper festgestellt wird, sollten alle Sexualpartner der vergangenen Woche informieren. „Einen Tripper oder Chlamydien kann sich jeder mal einfangen“, so der Wissenschaftler. „Durch ein Telefonat oder eine Textnachricht kann man aber dazu beitragen, dass sich die Erreger nicht weiter verbreiten.“